Hundekauf ist Vertrauenssache. Für den Käufer. Und auch für den Züchter. Während der Käufer eine lebenslange Bindung zu dem Hund eingehen möchte, will der Züchter ein lebendiges Wesen in guten Händen wissen.
Wie ein Hundekauf gelingen kann, wenn Züchter und Käufer sich intensiv um das Tier kümmern und auch vertrauensvoll aufeinander zugehen, zeigt das Beispiel von Dackel Josef. Geboren im Haus des Rehburger Züchters Dieter Jüncke und dessen Frau Angelika, ist er nun schon eine Weile bei seinem Käufer Ulrich Helms.
Ina muss draußen bleiben. Das quittiert sie mit wütendem Gebell. Kein Wunder – ist sie doch eben zum ersten Mal aus der Küche geschickt worden, in der sie sich seit zehn Tagen um ihre drei Welpen kümmert. Aber nun ist Besuch da und der möchte sich diese Welpen ansehen. Um Knurren und Schnappen angesichts der Fremden zu vermeiden, wird die Dackel-Dame kurzerhand vor die Tür geschickt. Drei winzige Welpen, gerade so groß, dass sie in einer Hand Platz haben, kriechen in einem Körbchen herum. Schön weich liegen sie auf Kissen, von oben werden sie mit Rotlicht warm gehalten. Wenn im Hause Jüncke Nachwuchs erwartet wird, dann ist diese Ecke in der Küche immer der Platz, in den das Körbchen gestellt wird. Direkter Familienanschluss ist das und als Familie akzeptieren die Hündinnen auch stets das Ehepaar. Sie dürfen die Welpen auf den Arm nehmen – ganz im Gegensatz zu jeglichen Fremden.
Auf der Suche nach einem Dackel-Züchter ist Ulrich Helms irgendwann nach der Empfehlung durch einen Tierarzt bei Angelika und Dieter Jüncke gelandet. „Überall haben wir uns umgehört – und sind dann im eigenen Ort fündig geworden“, sagt Helms. Dass sein Dackel ein „echter Rehburger“ sein wird, freut ihn besonders und auch die Tatsache, dass er aus dem Haus des Baumeisters kommen wird, der einst den sogenannten Rehburger Baustil begründete, macht die Sache noch ein wenig schöner. Das Ehepaar Jüncke lebt nämlich in jenem Anwesen, das Wilhelm Meßwarb, jener Baumeister, der zudem auch noch Bürgermeister Rehburgs war, dereinst für sich und seine Frau baute. An jenem geschichtsträchtigen Ort soll also Helms Dackel geboren werden.
Eine winzige Zucht hat das Ehepaar Jüncke: drei Dackel-Damen, von denen eine bereits, wie sie sagen, im Altenteil ist. Helms hat sich seit dem ersten Kontakt einige Monate zuvor gedulden müssen, bis eine der Hündinnen trächtig wurde und schließlich die Welpen da waren. Nun also der erste Hausbesuch mit der Aussicht, dass sich zu einem der Welpen eine lebenslange Freundschaft entwickelt. Doch welcher könnte das sein? Einer der Welpen beginnt zu wimmern. Ein leiser Ruf nach der Mutter, die plötzlich nicht mehr da ist. Als Helms ihn in die Hand nimmt und sacht streichelt, hört das Wimmern auf. Dieter Jüncke strahlt. „Das ist oft so“, sagt er, „dass sich die Hunde ihr Herrchen aussuchen.“ Und tatsächlich ist es Liebe auf den ersten Blick – der kleine Rüde kann die Augen zwar noch nicht öffnen, fühlt sich in der großen Hand aber offensichtlich gut behütet.
Nun heißt es abwarten, bis der Welpe groß genug ist, um von seiner Mutter fort zu dürfen. Acht, neun Wochen alt müssen die Kleinen werden. „Kommen Sie gerne einmal in der Woche zu uns“, sagt Dieter Jüncke. So könnten sich Herr und Hund gut aneinander gewöhnen. Es stehen also noch einige Hausbesuche an. Eine Woche später schaut der Welpe schon mit großen, dunkelblauen Augen in die Welt. Die besteht immer noch aus der Küche oder vielmehr dem Körbchen in der Küche. Wieder eine Woche später herrscht Trauer im Haus Jüncke – einer der Welpen ist gestorben. Nun kriechen nur noch zwei Kleine an die Zitzen von Mutter Ina. Die allerdings gedeihen prächtig und fangen schon bald an, gemeinsam zu spielen, zu toben und sich zu balgen. Spaß haben sie daran – nur wenn einer von ihnen die messerspitzenscharfen Welpenzähne in das Ohr des anderen hackt, tönt empörtes Jammern aus dem Körbchen.
Ina lässt nun schon zu, dass ihre Welpen von Helms auf den Arm genommen werden – nicht eben begeistert, aber anscheinend muss das wohl so sein. Und während Angelika Jüncke nun oft einen kleinen Topf mit nahrhaftem Brei als Zusatznahrung auf dem Herd stehen hat, gewöhnen sich die Kleinen an den Ruf, den Dieter Jüncke erschallen lässt. Auf „Butscher, Butscher, Butscher“ reagieren sie und freuen sich auf seinen Besuch. „So rufe ich alle unsere Welpen“, sagt er. Ihre eigentlichen Namen würden sie zwar von ihren späteren Besitzern bekommen, aber gerufen werden müssten sie doch. „Das ist prägend“, sagt er lachend. Ein Freund von ihm habe vor Jahren einen seiner Hunde bekommen. Wenn er heute mit dem telefoniere, der den Hörer in die Nähe des Hundes halte und er sein „Butscher“ rufe, dann werde der Hund immer noch ganz aufgeregt – schließlich war Jüncke doch so etwas wie ein Vater für ihn.
Ungefähr fünf Wochen alt ist Josef – der Welpe hat nun seinen endgültigen Rufnamen bekommen – als er während eines der Hausbesuche zum ersten Mal im Garten toben darf. Seine Schwester Jenna und Mutter Ina kommen auch mit. Tapsig ist das, was die Welpen auf dem Rasen veranstalten, manchmal fallen sie noch über die eigenen Füße. Neugierig sind sie aber auch und beginnen, ihr Terrain zu erkunden. Josef beginnt ein ordentlicher Bart zu wachsen, Jenna behält ihr glattes Gesicht. Verwechselt werden können die beiden auch von Außenstehenden nicht mehr.
Wovor besonders Angelika Jüncke schon graut, das ist der nicht mehr allzu ferne Moment, in dem sie sich von „ihren“ Babys trennen muss. Das fällt ihr jedes Mal schwer, so sehr hat sie sich an die Kleinen gewöhnt, sich so sehr um sie gekümmert, sie umsorgt, gefüttert, sie gekrault und mit ihnen geschmust. Als der Tag kommt, an dem Josef und Jenna endgültig ihr bisheriges Zuhause verlassen sollen, fährt Angelika Jüncke weg – da will sie nicht dabei sein.
Dieter Jüncke sieht das etwas pragmatischer, obwohl er eine ebenso enge Bindung zu den Welpen hat. Kaffee gibt es erst noch für die neuen Familien von Jenna und Josef, Tipps für den Umgang mit dem Nachwuchs, leichte Warnungen vor der ersten Nacht – und dann nimmt er die beiden Welpen auf den Arm und bringt sie bis zum Gartentor. Nun soll es aber auch schnell gehen, Mutter Ina muss noch nicht merken, was passiert, und lange Abschiedsszenen soll es auch nicht geben. Ab ins Auto - und die Welpen haben ein neues Zuhause.
Im Wagen zittert Josef noch. Die vielen neuen Eindrücke, die Trennung von der Mutter und die merkwürdigen unbekannten Geräusche machen ihm Angst. Das legt sich im neuen Heim aber schnell, die Neugierde siegt und er beginnt, Haus und Garten für sich zu erobern. Ein Spielzeug hat er von Jünckes mitgebracht. Das hat er schon Wochen zuvor bekommen – damit der bekannte Duft mitgenommen werden kann. Auf dem macht er es sich bald gemütlich und schläft ein. Der Trennungsschmerz hält sich in Grenzen.
Auch Ina hat sich bald wieder gefasst, ist sogar recht froh, nun nicht mehr ständig Sorge um ihre Welpen haben zu müssen. Und das Ehepaar Jüncke weiß, dass es die Welpen nicht zum letzten Mal gesehen hat. Wenn irgend möglich halten sie nämlich den Kontakt zu den neuen Besitzern „ihrer“ Hunde. Das ist bei Josef nicht schwer, denn er bleibt in Rehburg. Jenna wohnt nun zwar etwas weiter weg, aber auch sie kommt mit ihrer Familie wenige Wochen später zum Kaffeetrinken mit Erfahrungsaustausch zu Jünckes. Fremdeln gibt es da nicht unter den Hunden, obwohl sie sich nun schon fast ihr halbes Leben lang nicht mehr gesehen haben. Jenna und Josef jagen sich gegenseitig durch den Garten, Mutter Ina und die beiden anderen Dackel-Damen nähern sich gesetzt an. „Wir wollen doch auch später wissen, wie es den Hunden ergeht“ sagen Angelika und Dieter Jüncke. Bisher haben sie nur gute Erfahrungen gemacht – was wohl auch daran liegt, dass sie sich diejenigen, die einen ihrer Welpen haben möchten, ganz genau anschauen.
Geschichten beim Kaffee mit den wuselnden Hunden rundherum gibt es zuhauf. Von zerbissenen Sofakissen und Stiefeln ist da die Rede, von Rauswürfen aus dem Bett, von gelungenen wie auch – bisher noch – misslungenen Erziehungsversuchen. Geredet wird dann auch von dem sprichwörtlichen Dackelblick, diesem Augenaufschlag, dem man sich nur schwer entziehen kann, und den die beiden jungen Hunde ausgezeichnet beherrschen. Gelächter gibt es, als Helms ein Foto von Josef zückt, auf dem der im Schuhregal liegt. Der Spruch auf dem ausgelatschten Turnschuh, auf dem er es sich gemütlich gemacht hat, spricht Bände: „I don’t care, what you think“ – „Es ist mir egal, was du denkst“ – steht darauf. Das, sagt Helms, drückt ziemlich genau den Charakter des Hundes aus. Trotz des leichten Eigensinns von Josef hat er die Entscheidung für ihn aber noch keine Sekunde bereut.