Forstwirtschaft ist Wirtschaftsfaktor des Klosters Loccum Mehr als nur ein geistlicher Ort ist das Kloster Loccum bereits seit seiner Gründung, denn schon die ersten Mönche, wussten darum, dass das Arbeiten nahezu ebenso wichtig wie das Beten ist.
Ein Kloster zu erhalten, erfordert auch, sich darüber klar zu sein, dass es sich um einen Wirtschaftsbetrieb handelt. In Loccum hat die Forstwirtschaft dabei stets eine wichtige Rolle gespielt.
Der „Wirtschaftsbetrieb Kloster Loccum“ stehe im Prinzip auf drei Standbeinen, sagt denn auch dessen Abt Horst Hirschler. Geld komme in die Kasse durch Pachten für die vielen Ländereien, die beileibe nicht nur in und um Loccum herum seien. Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind ausgedehnte Flächen im Besitz des Klosters. Das zweite Standbein für das Kloster ist das Predigerseminar. Dadurch, dass die Landeskirche sich für diese Ausbildungsstätte Loccum als Sitz gewählt habe, komme das Kloster erst in den Genuss der vielfältigen Sanierungsarbeiten, die derzeit Unruhe in die Beschaulichkeit des Lebens hinter Klostermauern bringen, fügt Hirschler hinzu. Das dritte Standbein für den Wirtschaftsbetrieb ist unterdessen der Forst – und wie es um ihn bestellt ist, wollte der Konvent des Klosters in einer Klausurtagung genauer wissen.
„Das Schicksal der Bäume steuere ich.“ Klosterförster Karsten Sierk ist es, der diesen Satz sagt, inmitten der Bäume des Forstes, wohin er den Konvent des Klosters geführt hat. Welcher Baum stehen bleiben soll, welcher gefällt wird – das liegt allein in der Verantwortung Sierks. Während er erzählt, nach welchen Kriterien er diese Auswahl trifft, legen alle die Köpfe in den Nacken, um sich das lichte Grün der Baumkronen anzusehen. Licht – das ist ein sehr wichtiges Stichwort in Sierks Arbeit. Licht muss den Waldboden erreichen können. Nur so wachsen neue Bäume nach, bleibt des Gleichgewicht des Forstes mit jungen, alten und teilweise auch sehr alten Bäumen erhalten. Um das gewährleisten zu können, muss Sierk also das Schicksal der Bäume steuern und darüber entscheiden, wo die Säge angesetzt werden soll. Lauscht man Christoph Böckmann, dann macht Sierk seine Sache sehr gut. Böckmann führt ein Beratungsbüro für Forstbetriebe. Für das Kloster Loccum hat er soeben seinen dritten Inventur-Bericht fertiggestellt. „Forsteinrichtung“ nennt sich dieser Bericht. Darin enthalten ist der Ist-Zustand des Waldes. Wie alt sind die Bäume, wie hoch, wie dick, in welcher Menge und in welchen Arten stehen sie auf den jeweiligen Flurstücken? Auf dieser Grundlage stellt er Vergleiche zu seinen früheren Loccumer Berichten an. Wie hat sich der Wald entwickelt? Ist er festgelegten Zielen nähergekommen? Und was sollen die Ziele des Forstes für die kommenden zehn Jahre sein? Zehn Jahre – das ist der Rhythmus, in dem solche Forsteinrichtungen erstellt werden. Schnelllebig ist das beileibe nicht und so müssen die Ziele mit Bedacht gewählt werden. Zehn Jahre sind dabei allerdings noch eine sehr kleine Zeitspanne. Was heutzutage entschieden wird, das kommt in manchen Fällen erst in 190 Jahren zur Ernte.
Die Bilanz, die Böckmann zieht, ist ausnahmslos positiv. Solch einen Forst wie in Loccum, der sei ein echtes Juwel, sagt er dem Konvent. Eine gute Mischung von Laub- und Nadelbäumen sei vorhanden, der Zuwachs an Holz und auch an der Vielfalt der Arten deutlich sichtbar, das Alter der Bäume in gewünschter Ausgewogenheit, so dass niemals irgendwo ein Kahlschlag befürchtet werden müsse. Auf den rund 590 Hektar Wald, die das Kloster besitze, würden nur rund zehn Prozent der Fläche durch Anpflanzungen aufgeforstet. Der Rest der Aufforstung geschehe auf natürlichem Weg durch Aussamung. Alles zusammen begeistert Böckmann und lässt ihn von diesem „Juwel Klosterforst“ sprechen. Wie „bunt“ der Wald ist, zeigt er dem Konvent eindrücklich mit einer Karte des Gebietes, das „Sündern“ genannt wird und das direkt an das Kloster anschließt – jener Teil des Waldes, in den er und Sierk den Konvent zu einem Spaziergang geführt haben. Ein kleinteiliger Flickenteppich aus unterschiedlichen Baumarten ist auf dieser Karte zu sehen. Beim Spaziergang wird diese Vielfalt noch einmal deutlich. So wird der Wald für Spaziergänger zum Genuss, ist aber auch für die Kasse des Klosters genau richtig. Sierk nennt das den „Bauchladen an Baumarten“ – nur so könne der Betrieb wirtschaftlich arbeiten. Eine der ältesten Forsten Deutschlands nennt das Kloster sein eigen. Der Stiftung, die 1163 die Gründung des Klosters möglich machte, ist schließlich nie ein Eigentümer-Wechsel gefolgt. Und von Beginn an war den Klosterherren klar, dass dieser Wald für ihre Existenz notwendig ist. Bauholz, Holz zum Heizen, Holz zum Verkaufen und noch viele andere Verwendungsmöglichkeiten sorgten dafür, dass das Kloster in vielerlei Hinsicht durch den Wald florieren konnte. Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit wird in Loccum aber auch mit dem Aspekt der Ökologie gepaart. Artenreichtum, der natürliche Wuchs und Nachhaltigkeit sind Stichworte, die immer wieder fallen. Die Forstleute seien ohnehin die Erfinder des heutzutage so oft bemühten Ausdrucks der Nachhaltigkeit, sagt Böckmann. Schon vor 300 Jahren, als in Deutschland eine große Holzarmut herrschte, hätten sie ein Kontrollinstrument gefordert und eingeführt, dass der Holzknappheit auf lange Sicht entgegenwirken konnte. Dass der Klosterforst nicht nur wirtschaftlich betrachtet werden sollte, sondern zudem auch die touristische Attraktivität des Klosters fördert, ist ein weiterer Aspekt, den Sierk betont. Der Konvent solle in seine Überlegungen bitte auch dieses einbeziehen, sagt der Klosterförster den Herren, nachdem er sie auf Waldpfaden bis hin zur Luccaburg geführt hat.
An diesem beliebten Ausflugsziel, an dem die Stifter des Klosters vor rund 900 Jahren ihren Stammsitz hatten, rastet der Konvent. Als eines der Zukunftsthemen des Klosters, da ist sich der Konvent einig, muss der Forst angesehen werden. Schließlich haben die Herren alle während des Spaziergangs mit Erläuterungen zur Forstwirtschaft nicht nur den monetären Aspekt des Waldes vor Augen geführt bekommen, sondern auch die Schönheit dieses Waldes. Entspannt lehnen sich alle zurück, lassen die Blicke über die Wipfel schweifen und brechen dann wieder auf, um die Kloster-Baustellen zu besichtigen. Dass der Forst keine Baustelle ist, um die sie sich sorgen müssen, sondern eine gesunde Pflanze, die ordentlich gedeiht, ihnen reiche Ernte beschert und zum Ruhm des Klosters beiträgt, haben sie eindrücklich vorgeführt bekommen.