Nachbarschaftshilfe: Auch mal Hilfe annehmen
Die Loccumer Annchen und Eike Heymer gehören mit ihren 85 beziehungsweise 84 Jahren zu denjenigen, die zu ihrem eigenen Schutz während der Corona-Krise zu Hause bleiben. Gar nicht so einfach, meinen die beiden. Und konzentrieren sich auf die guten Seiten daran.
Sie gehören zu der sogenannten „Risikogruppe“, die zu Hause bleiben und möglichst keinen Kontakt zu anderen Menschen haben soll. Wie geht es Ihnen nach den ersten Wochen dieser Isolation?
Eike Heymer: Es geht uns gut! Wir haben es gut, wir haben unser Haus und einen großen Garten und uns fällt die Decke noch nicht auf den Kopf. Gezankt haben wir uns auch noch nicht (grinst).
Annchen Heymer: Wir finden immer etwas, was wir tun können. Mein Mann hat den Gartenteich gerade vom Morast befreit. Und ich lese, lese, lese. Damit kann ich abtauchen in andere Welten. Wenn wir uns abends dann zusammensetzen, haben wir uns etwas zu erzählen. Aber merkwürdig ist es schon, nicht vor die Tür gehen zu dürfen.
Andererseits fällt es uns Älteren womöglich leichter, mit solchen Einschränkungen zu leben. Wir wissen im Gegensatz zu den Jüngeren doch aus der Kriegs- und aus der Nachkriegszeit, was es bedeutet, mit Mangel zu leben.
Was fehlt Ihnen denn besonders?
Eike Heymer: Wir sind gesellige Menschen, treffen uns gerne mit Freunden. Zum Essen, zum Reden. Wir besuchen oft Konzerte, gehen ins Theater, zu Kunst-Ausstellungen, Vorträgen. Ich singe im Gospel-Chor, Annchen trifft sich mit einer Gruppe zum Flöten. Diese ganzen Kontakte zu anderen und das, was unseren Geist anregt, das fehlt uns sehr. Jetzt bleibt uns in erster Linie das Gespräch über den Gartenzaun.
Annchen Heymer: Manchmal stehen aber auch Leute vor unserer Tür. Als die Kontaktbeschränkungen kamen, haben sich gleich mehrere Freunde und Bekannte bei uns gemeldet: ‚Wir kaufen für Euch ein. Wir gehen für Euch zur Post. Was braucht Ihr? Was möchtet Ihr haben? Wie können wir Euch helfen?‘
Eike Heymer: Das war überwältigend! Dass uns so viele helfen wollten. Anfangs haben wir uns geziert und gemeint, dass wir alleine klarkommen. Wir sind doch immer alleine zurechtgekommen und haben lieber anderen geholfen, statt selbst Hilfe anzunehmen. Hilfe annehmen – so alt haben wir uns nie gefühlt. Weißt du noch, Annchen, wie entsetzt ich war, als mir zum ersten Mal in einer Straßenbahn eine Frau ihren Sitzplatz angeboten hat? So alt wollten wir uns nie fühlen.
Was hat Sie zum Umdenken gebracht? Weshalb lassen Sie sich jetzt doch helfen?
Eike Heymer: Zum einen müssen manche Dinge eben wirklich erledigt werden, die wir nun nicht tun können. Und zum anderen haben wir dann gemerkt: Wir tun den anderen auch einen Gefallen damit, wenn wir Ihre Hilfe annehmen!
Annchen Heymer: Das war schon ein Lernprozess für uns. Nun beginnen wir zu verstehen, dass wir – Wie sagt man? – eine Win-Win-Situation schaffen, wenn wir uns helfen lassen.
Wenn wir jetzt eine „Lieferung“ bekommen, setzen wir uns manchmal zu einem Kaffee mit unseren „Einkäufern“ auf die Terrasse. Schön weit voneinander entfernt. Das hilft der Psyche auf beiden Seiten.
Gut zu wissen:
Annchen und Eike Heymer haben ihre Corona-Erfahrungen auch dem Religionspädagogischen Institut Loccum (RPI) mitgeteilt.
Dort sind sie in Lehrmaterial eingeflossen: www.rpi-loccum.de/corona/BBS
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