Coaching mit Lamas
Rehburger Herde reflektiert das Verhalten ihrer Besucher
Fünf Lamas hat Jennifer Hein zu einer kleinen Herde zusammengefügt, um mit ihnen Seminare anzubieten. „Coaching mit Lamas“, nennt sich das Angebot und dient unter anderem der Selbstreflexion.
„In Hektik und gestresst muss ich gar nicht erst auf die Weide gehen“, sagt Hein, „dann komme ich nicht weit mit meinen Lamas. Sie spüren immer sofort, wie es mir geht.“ Diese Sensibilität der Lamas ist es, die die Soziologin nutzt, wenn sie gemeinsam mit ihren Tieren Menschen coacht. Im Hauptberuf und üblicherweise ohne Lamas macht sie das als pädagogische Leiterin der Evangelischen Heimvolkshochschule Loccum. Die Lamas sind mehr Hobby. Das sie mit professionellem Background ausfüllt.
„Kommt uns jemand zu schnell zu nah, gehen wir auf Abstand. Kennen wir das nicht alle? Wie ist es aber mit unserem eigenen Verhalten? Versuchen wir zu schnell, auf andere zu- und einzugehen?“, fragt Hein. Selbstreflexion sei nötig. Aber nicht jedem gelinge das. Wer betrachte sich selbst schon von außen? Und gebe sich ein Feedback, das er auch annehmen mag? Das könnten nicht viele. Und wer wolle sich schon gerne von anderen sagen lassen, was am eigenen Verhalten suboptimal sei?
Lamas „sprechen“ lassen
Hein lässt ihre Lamas „sprechen“, von ihnen kommt das Feedback. Was ungewöhnlich klingt, funktioniere in der Praxis auf ihrer Weide ausgezeichnet, sagt die 30-Jährige. Ed und Django, Bounty, Chertan und Rastaban zeigten den Besuchern deutlich, was sie von deren Verhalten halten. Und das bewirke einiges.
Gruppen von Kita-Leitungen und der Betriebsrat eines größeren Unternehmens, aber auch einzelne private Menschen haben sich zum Coaching mit Lamas schon angemeldet. Was sie alle wollen, sind durchaus übliche Lernprozesse. Solche zu Körpersprache, Wahrnehmung und zum eigenen Selbstbewusstsein. Kernkompetenzen, die nötig sind in leitenden und anderen Funktionen ebenso wie im alltäglichen Leben. Und manchmal geht es auch um sehr konkrete Herausforderungen im Leben, die nach einem Lama-Training plötzlich besser bewältigt werden können.
Hein erzählt von der Frau, die sich aus der Herde zielstrebig eines der jungen Lamas auswählte, mit dem sie einen Spaziergang machen wollte. Hatte der Spaziergang verheißungsvoll begonnen, so gab die Frau nach einer halben Stunde entnervt auf. Das junge Tier wollte ihr nicht folgen, stellte sich bockbeinig, war in keiner Art und Weise kooperativ. Den Tränen nahe habe sie erzählt, dass es ihr mit der eigenen Tochter im Teenageralter ähnlich ergehe.
Hatte sie sich intuitiv ein Lama ausgesucht, das ihrer größten persönlichen Herausforderung entsprach? Es schien so. Später, erzählt Hein, sei klar geworden, dass es der Mutter schwer fiel, ihrer Tochter klare Anweisungen zu geben. Ähnlich war sie auf das Lama eingegangen. Das Erlebnis mit dem Tier bewirkte etwas – am nächsten Tag habe die Mutter mit weitaus fröhlicherer Miene berichtet, dass ihr erster Versuch, anders mit ihrer Tochter umzugehen, ausgesprochen gut funktioniert habe.
Wie aber ist Hein auf die Idee gekommen, sich eine eigene Herde Lamas zu kaufen und dieses Coaching anzubieten? Tierliebe sei das eine, sagt sie. Und dann sei sie im Studium darüber gestolpert, dass es diverse tiergestützte Therapie-Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen gebe. Weshalb aber nicht für alle anderen auch?
Hängebauchschweine kommen auch in Frage
Auf der Suche nach geeigneten Tieren für solches Coaching kam sie zu den Lamas. Liebe auf den ersten Blick war es, die Zurückhaltung der Tiere und ihre Sensibilität hätten es ihr angetan, sagt Hein. Bei Lamas allein müsse es auf Dauer aber nicht bleiben. Ideal fürs Coaching wären auch Hängebauchschweine. Zunächst genüge ihr aber die kleine Herde mit den vielen unterschiedlichen Charakteren. Unterschiedlich, wie die Menschen, die zu ihr kommen.
Mehr über Jennifer Hein und ihr Coaching mit Lamas ist unter www.lamameer.com zu lesen.
Text und Fotos: ade
September 2020
Info-Kasten:
Gut zu wissen – über Lamas
Lamas stammen aus den südamerikanischen Anden und sind eine Art der Kamele – ganz ohne Höcker. Die Domestizierung der Lamas hat vermutlich bereits vor 5.000 Jahren begonnen. In den Anden werden sie in erster Linie als Lastentiere genutzt.
Das Spucken, das den Lamas nachgesagt wird, richtet sich kaum jemals gegen Menschen, sondern üblicherweise gegen ihre Artgenossen – um sie auf Distanz zu halten oder ihre
Dominanz zu beweisen. Dann wird es jedoch bitter, denn die „Spucke“ ist halbverdauter Mageninhalt. ade
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Was von Lamas sonst noch kommt:
Nicht nur mit, sondern auch von ihren Lamas bietet Jennifer Hein einiges an. Kleine Produkte mit Lama-Wolle beispielsweise: Das dichte warme Fell von Lama Ed ist nach der jüngsten Schur zu molligen Einlege-Sohlen gepresst worden.
In handgesiedete Seifen ist die Wolle von Bounty und Django eingeflossen und in Tütchen zu 200 Gramm verpackt gibt es gemahlenen und getrockneten Dung der Lamas – ein ausgezeichneter Dünger. ade