Leben auf dem Land - Von Lehmbau und Dielen-Konzerten
Auf dem Land lässt es sich gut leben, meint Christian Pitzschke. Und in einem alten Haus auf dem Land noch viel besser.
Er macht in seinem Bauernhaus in Winzlar eine Menge daraus. Ein Gespräch über atmende Wände und Lehm, über Dudelsacktöne und Dielen-Konzerte…
„Weil ich das immer schon mal machen wollte!“ Aus diesem Grund hat Christian Pitzschke angefangen, zu Hutkonzerten in sein Bauernhaus einzuladen und aus diesem Grund hat er auch die Ärmel hochgekrempelt, um beide Arme in Lehm zu tauchen. Mit etwas mehr als 60 Jahren wagt er sich an ganz neue Dinge heran.
Manfred Röver ist zu Besuch in Winzlars Südstraße 10. Nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal. Eine Führung durch Diele und Kammern und um das Gebäude herum steht auf dem Programm. Hier und da bleiben die beiden Männer stehen, schauen auf Ziegel, betasten Putzflächen. Hausherr Pitzschke holt sich Rat bei Röver. Wie geht er am besten vor, damit seine Wände atmen können? Die Wände der Kammer, in der die beiden Männer stehen, können nach Jahrzehnten unfachmännischer Sanierung nämlich genau das nicht mehr: Atmen.
Klitschnass waren sie, erzählt Pitzschke. Kein gutes Raumklima. Das wollte er ändern und hat nun eine Baustelle. Dort, wo seine Tochter ein Zimmer bekommen soll.
Der Fachmann in dem Gespräch ist Röver. Von Beruf ist er Ingenieur, engagiert sich aber seit langem ehrenamtlich in der Interessengemeinschaft (IG) Bauernhaus. Alte Gebäude – insbesondere landwirtschaftliche – möchte er erhalten. Überall würden die Ortschaften zerpflückt und an den Rändern ausgedehnt, weil alte Häuser nicht saniert würden, klagt er. Dabei lohne es sich doch so oft! Ein solches altes Haus bewohnt er im Schaumburgischen selbst und hat mit dessen Sanierung viel hinzugelernt.
Ein Thema, mit dem er sich dabei befasst hat und das immer wieder ansteht, wenn es um Bauernhaus-Sanierungen geht, sind Lehmwände und -decken. Wie bei Pitzschke. Richtig damit umzugehen, atmende Wände zu schaffen und so für ein gutes Raumklima zu sorgen, ist eine Wissenschaft für sich.
Weil Pitzschke selbst Hand anlegen will in seinem Haus, holt er sich gelegentlich Rat bei der IG Bauernhaus – und bittet auch schon mal um Besuch vom Fachmann Röver. Lehm-Recycling, Blähton als Grundlage, ein tonnenschwerer Aktenschredder zum Häckseln der Masse – die Lösungsansätze sind vielfältig. Bei allem rät Röver vor allem zu einem: Geduld.
Wer mit Lehm baue, müsse immer bereit sein, Trocknungszeiten in Kauf zu nehmen. Pitzschke kennt das schon. Geduld hat er, seit er eingezogen ist. Weswegen die Kammer für seine Tochter immer noch im Sanierungsstadium steckt. Das, sagt er lachend, macht überhaupt nichts. Als Rentner hat er doch Zeit.
Diese Zeit nimmt er sich auch für andere Dinge – und bringt sich damit (nicht nur) ins Winzlarer Dorfleben ein.
Einen Umbruch gab es in seinem Leben, als seine Frau und er sich vor einiger Zeit trennten. Eigentlich, erzählt er, bestand sein Plan darin, von Bokeloh nach Hannover zu ziehen, um nah am Puls dessen zu sein, was er bereits seit Jahrzehnten schätzt und liebt und pflegt: Nah an den Clubs, Hallen und anderen Orten sein, in denen irische und schottische Musik gespielt wird.
Irgendwie kam dann doch alles anders und aus der hannoverschen Mietwohnung wurde das Bauernhaus auf dem platten Land in Winzlar. Seit drei Jahren lebt er dort im alten Ortskern und sagt, dass er sich sauwohl fühlt. Kurz nach dem Einzug gab er eine Einweihungsfeier. Freunde und Bekannte kamen und das, was in seinem Leben nicht fehlen darf, gab es auf der Diele des Hauses dazu: Live-Musik von befreundeten Musikern. Das wiederum brachte ihn auf eine Idee: Der kleine intime Rahmen der Diele müsste sich doch hervorragend für kleine Konzerte eignen. Eins kam zum anderen, eine Band suchte nach einem Ort für ein Konzert in privatem Rahmen. Kurz darauf lud Pitzschke zu einem ersten Konzert auf die Diele ein.
Die 25 Stühle, die er aufgestellt hatte, genügten bei weitem nicht, um die Gäste zu fassen. Rund 100 Leute sind gekommen. Die standen dann nicht nur auf der Diele, sondern auch noch vor der Tür. Etliche Winzlarer sahen sich das an, aber auch aus entfernteren Orten kamen Besucher, um im Ambiente der Diele mit Fachwerk und hölzerner Galerie Musik zu hören.
Der Charme des Unfertigen in dem Haus, in dem der Neu-Winzlarer mit den Sanierungen erst begonnen hatte, tat ein Übriges zu der Atmosphäre. Perfekt war nichts, die Location aber urgemütlich und urig.
Der Erfolg des ersten Konzertes beflügelte ihn und er wollte mehr davon. Einerseits kamen Musiker nun auf ihn zu, andererseits sprach er den einen oder anderen an, wenn er mal wieder anderswo ein Konzert besuchte. Seitdem war die Diele schon manches Mal proppenvoll.
Einen Schwerpunkt legt er bei seinen Dielen-Konzerten auf schottisch-irische Klänge, angefangen bei Traditionals bis hin zu modernen Kompositionen, von der Gitarre bis zur Harfe. Die Liebe zu dieser Musikrichtung hat er schon seit den 1970er Jahren, seit er Jethro Tull zuerst hörte.
Selbst macht er auch solche Musik. Ein Dudelsack hängt an einem Nagel in der Diele und er versteht es wundervoll, darauf zu spielen. Auch wenn er erst im Alter von 40 Jahren damit begann. Damals liebäugelte er mit einem Dudelsack, wünschte sich zu Weihnachten eine Übungspfeife und begann mit den mühsamen Proben. Der Pipe-Lehrer, den er sich suchte, brachte ihn wenige Jahre später in seine eigene Pipe-Band – allerdings nicht als Dudelsackspieler, sondern als Drummer.
In den folgenden Jahren, erzählt Pitzschke, tingelte er in seiner Freizeit mehr oder weniger als Drummer in dieser und anderen Bands durch Deutschland – und immer mit schottisch-irischen Klängen. Heute macht er Musik nur noch für sich und in kleiner Runde. Jenseits von Corona-Zeiten trifft sich an jedem Montag eine winzige Gruppe ab 18 Uhr in seiner Diele, um Dudelsack zu üben und zu spielen. Interessierte, sagt er, könnten jederzeit einfach dorthin kommen, zuhören, mitmachen und es ausprobieren. Relativ ungewohnte Klänge sind dann in dem kleinen Dorf zu hören. Und wenn Pitzschkes Hündin Kira auch ein volltönendes Geheul anstimmt, wenn ihr Herrchen den Dudelsack spielt, so ist diese Musik bei den Nachbarn doch wohl gelitten.
Darauf, dass er seine Konzerte in der Diele bald wieder aufnehmen kann, hofft Christian Pitzschke sehr. In der Zwischenzeit wird in Winzlars Südtsraße weiter saniert.
Christian Pitzschke
Südstraße 10
31547 Rehburg-Loccum
IG Bauernhaus
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