Interview mit Abt Hirschler
„Nur noch genießen können“ Horst Hirschler gibt das Kreuz des Abtes weiter
Eine Ära des Leitens im und des Kümmerns ums Kloster Loccum geht zu Ende, wenn Horst Hirschler am Sonnabend, 5. September, das Kreuz des Abtes an Landesbischof Ralf Meister weiterreicht. Von seiner Zeit im Dienst der Kirche, von seinem Leben mit Gott und seinem Wirken in Loccum hat der Abt uns im Interview berichtet.
Herr Hirschler, am 5. September geben Sie das Kreuz des Abtes im Kloster Loccum an Ralf Meister weiter. Wie bereiten Sie sich auf diesen Tag vor?
Ich denke in erster Linie über die Worte nach, die ich sagen werde. Es sollen schließlich Sätze sein, die haften bleiben. Ein Vorsatz, den ich auch bei jeder meiner Predigten hatte: Man kann gar nicht genug daran arbeiten, dass die eigenen Worte wirken. Aber ob sie dann wirklich wirken – das ist ein Gnadengeschenk. Das macht der liebe Gott. Es funktioniert nicht so wie bei dem, der auf die Kanzel geht und sich sagt ‚Ich verlasse mich auf den Heiligen Geist.‘ Der würde ihm dann mitteilen, dass er einfach nur faul war. Man muss sich schon selbst anstrengen, um sich auf den Heiligen Geist verlassen zu können. Nun, daran arbeite ich jetzt. Damit meine Worte auf die Menschen wirken.
Erst vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass das Kloster eine neue Verfassung bekommen hat. Unter anderem ist dort festgelegt, dass die Konventualen künftig im Kloster leben und arbeiten müssen.
Ja, das stimmt und dafür habe ich mich eingesetzt. Bislang war es doch so, dass manche Konventualen nur zu den Sitzungen gekommen sind. Ich habe die Vorstellung, dass es für das Kloster gut ist, wenn sein Leitungsgremium auch den Alltag hier kennt. Was der Klosterförster macht und so. Deshalb muss jeder von ihnen nun etwa eine Woche pro Jahr auf dem Klostergelände verbringen und hier auch arbeiten.
Die Konventualen sollen mit dem Klosterförster in den Wald, um Bäume zu fällen?
Nein, die sollen sie höchstens rausschleppen. (Lacht) Ich habe hier selbst schon Bäume ausgebuddelt und eingepflanzt. Die Stieleiche gegenüber dem Konventsgebäude ist von mir gepflanzt worden. Aber im Ernst: beim Arbeiten geht es um solche Dinge wie die Gestaltung der Hora oder eines Gottesdienstes. Die Konventualen sollen ein Gespür für das Kloster haben. Dazu lassen wir momentan auch zehn Zimmer im Dachgeschoss zu einer Klausur ausbauen.
Die zehn Zimmer im Dachgeschoss sind aber nicht das einzige, was sie an Spuren im Kloster hinterlassen.
Nein. Das ist schon mehr. Ich hoffe, dass ich an den Vikaren, die in meiner Zeit als Konventual-Studiendirektor hier waren, Spuren hinterlassen habe. Ich kam doch hierher, als auch im Kloster der Geist der 68er wehte. Dieter Andersen, der mein Landessuperintendent in Lüneburg war, sagte mir, im Kloster sei der Teufel los und ob ich wohl Lust habe, das zu übernehmen. Ich habe noch nicht einmal meine Frau gefragt, sondern sofort zugesagt. Das war es doch, was ich am meisten wollte außer Pastor zu sein: Junge Menschen auf ihren Beruf als Pastor vorbereiten.
Ich bin gut mit den Aufmüpfigen klar gekommen. Eigentlich war ich selbst immer aufmüpfiger als die Vikare.
In Loccum haben Sie dann während ihrer Bischofszeit als Prior, danach als Abt des Klosters noch andere Dinge gestaltet.
Es gab doch immer Ziele, auf die wir hinarbeiten konnten. Die große Kirchenrenovierung, die 2010 begann! Womöglich habe ich den gesundheitlichen Paukenschlag, den ich in der Zeit erhielt, deshalb so gut überstanden. Schwarzer Hautkrebs. Dazu hatte ich einfach keine Zeit. Ich musste mich doch um die Kirche kümmern.
Direkt daran schloss sich das Jubiläumsjahr „850 Jahre Kloster Loccum“ an. Um in die Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum in 2017 überzugehen.
Was ist Ihnen denn im alltäglichen Leben im Kloster wichtig gewesen?
Die Hora. Das Stundengebet, das wir aus der katholischen Tradition übernommen haben und das wir täglich um 18 Uhr feiern. Dafür habe ich mich immer eingesetzt und sie oft selbst gehalten.
Wenn ich dann Menschen, die das Kloster besucht haben, danach frage, was ihnen am besten gefallen hat, sagen sie oft, dass es diese Hora war. Und die drei bis vier Minuten Stille nach der Bibellesung.
„Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes“ ist der Titel des Buches mit Predigten, die sie an herausragenden Tagen während ihrer Amtszeit gehalten haben. Was bedeutet Ihnen dieser Satz aus Römer 8?
Das ist etwas sehr Persönliches für mich. Als mein Vater 1943 starb, hat er uns dieses Wort zum Schluss gesagt. Ich war zehn Jahre alt – und habe es verstanden. Seitdem ist dieser Satz so etwas wie ein Lebensmotto für mich. Er hat mich ein Leben lang begleitet.
Sehen Sie, das zeigt sich auch an dem Tafelkreuz, das in der Klosterkirche über dem Hohen Chor hängt. Der Gekreuzigte dort ist verlassen. Aber nicht von Gottes Anwesenheit. Ihn umgibt ein goldenes Band, das die Gottes-Anwesenheit symbolisiert. Aus Blatt-Gold ist es dort aufgetragen. (Der Abt sucht in seiner Tasche) Das vergegenwärtige ich mir immer mit etwas Blatt-Gold, das ich mit mir trage.
Eine letzte Frage noch: Was werden Sie tun, wenn Sie nicht mehr Abt, sondern Alt-Abt des Klosters Loccum sind?
Dann muss ich nichts mehr leiten. Nichts mehr vorbereiten. Das machen dann andere. Und laden mich ein, denn der Alt-Abt gehört weiter dazu. (Lächelt) Dann kann ich nur noch genießen und brauche mir selbst nicht mehr so viele Gedanken machen.
Meine Meinung äußere ich aber weiterhin. Darauf können sich alle verlassen.
Beate Ney-Janßen
Foto: ade

„Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes“ ist ein Satz, der Horst Hirschler ein Leben lang begleitet hat.
Krummstab und Mitra des Abtes im Kloster Loccum gibt Horst Hirschler nun ab. (Archiv-Bild Ney-Janßen)
Landesbischof Ralf Meister folgt als Abt des Klosters Loccum auf Horst Hirschler.
50 Jahre für das Kloster Loccum
Wenn Horst Hirschler am 5. September die Leitung des Klosters Loccum abgibt, hat er tags zuvor seinen 87. Geburtstag gefeiert und blickt auf ein langes Leben zurück, dessen Loccumer Zeit vor 50 Jahren begann.
In Stuttgart geboren und mit zehn Jahren vaterlos machte er zunächst eine Lehre als Elektriker, holte dann das Abitur nach und studierte anschließend Theologie. Schülerpastor und Gemeindepastor waren weitere Stationen. 1970 kam er als Konventual-Studiendirektor an das Predigerseminar in Loccum. Von 1977 bis 1988 war er Landessuperintendent in Göttingen. Dann wurde er zum Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gewählt. Im Jahr 2000 schied er als Bischof aus und war fortan im Ehrenamt Abt des Klosters Loccum. Dem Loccumer Konvent gehört er seit 1970 durchgehend an.
Gottesdienst und Hora zum Abschied
Auch wenn ein großer Fest-Gottesdienst zum Abschied von Horst Hirschler nicht möglich ist, kann jeder dabei sein. 150 geladene Gäste sind am Sonnabend, 5. September, 15 Uhr, in Loccums Klosterkirche. Alle anderen bekommen die Chance, sich per Live-Stream auf der Website der Landeskirche unter https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de zuzuschalten. Im Anschluss wird der Gottesdienst auf YouTube hinterlegt unter https://www.youtube.com/channel/UCoJrQ-BGaqaXoqesVr1tJkQ/videos.
Wie seit Jahrhunderten wird auch an diesem Tag um 18 Uhr die Hora in der Klosterkirche gefeiert – gemeinsam mit Alt-Abt Horst Hirschler und seinem Nachfolger Ralf Meister. Diese Veranstaltung ist öffentlich. Unter den entsprechenden Abstandsregeln sind alle willkommen.
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