Wie Rehburgs Magenleiden abgeschafft wurde
Heute schon Kaffee gekocht? Zähne geputzt, geduscht und Wäsche gewaschen?

Dann würdigen Sie bitte einmal das reine Wasser, mit dem Sie das tun können. So wie Rehburgs Bürger vor rund 130 Jahren – als sie die Ersten in weitem Umkreis waren, die eine Wasserleitung bekamen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich mit Würmern, Schnecken und Magenleiden von ihrem „guten Meerbachwasser“ plagen müssen.
Das Bild an der Wand in Rehburgs Heimatmuseum ist Idylle pur: Bäume neigen ihre belaubten Kronen bis an den Steinhuder Meerbach, windschiefe Häuser schmiegen sich nah an das sich durch Rehburg windende Gewässer. Zwei Frauen beugen sich tief über die Uferkante des sacht fließenden Baches und schöpfen Wasser in hölzerne Eimer. Ruhe und Gelassenheit strahlt das Bild aus. Wer wünscht sich da nicht in diese „gute alte Zeit“ zurück?
Die harte Realität sah anders aus. Und das nicht nur, weil die Rehburger eher arm waren und ihren Lebensunterhalt mit vielen Schwierigkeiten dem Boden abtrotzen mussten. Harte Realität war für sie auch, dass das Wasser aus ihrem Bach keineswegs gesundheitsförderlich war. Doch was blieb ihnen anderes übrig, als ihre Eimer dort hinein zu tunken? Jeder Versuch, Brunnen zu bohren, hatte nur schwefelhaltiges Wasser hervorgefördert.
Würmer und Schnecken im Wassereimer
Also fügten sie sich, klagten nicht und tunkten ihre Eimer ins Wasser. Wie es indes um dessen Qualität bestellt war, ist in Rehburgs Schulchronik nachzulesen, wo Lehrer Konrad Piepenbrink seine Eindrücke schilderte: „Im Eimer wurde das Wasser ins Haus getragen und nachdem sich Würmer und Schnecken in dem dicken Bodensatz verkrochen hatten wurde das "klare" Wasser in die Kochgeschirre geschöpft. Ekelhaft war diese Methode für Hinzuziehende, namentlich für die Beamten, und von diesen sind oft Pläne auf Abhilfe des Übelstandes erdacht worden, die aber nie zum Ziele geführt haben.“
Lehrer Piepenbrink hatte jedoch mehr Erfolg als seine Vorgänger. Vielleicht hing das mit seiner Vorliebe für Spaziergänge zusammen. Während einer Wanderung, die ihn zu den Rehburger Bergen führte, entdeckte er klares Quellwasser nahe der Klosterruine der Esbeke. Diese Entdeckung und den Vorschlag, eine Wasserleitung zu verlegen, machte er auf seinem Rückweg Bürgermeister Wilhelm Meßwarb schmackhaft.
Überzeugendes Argument: Freibier!
Es musste noch einiges Wasser den Meerbach herunterfließen bis Bürgermeister und Lehrer die Rehburger davon überzeugen konnten, dass es die Ausgabe lohnt, den wahnwitzigen und außergewöhnlichen Plan einer Wasserleitung für den Ort umzusetzen. „Bürgermeister Meßwarb hat sich viele Mühen und Unannehmlichkeiten zugezogen“, notierte Piepenbrink in der Schulchronik und fügte auch hinzu, wie die Überzeugung gelang: „Um die Bevölkerung für den Plan günstig zu stimmen, wurde eine Gemeindeversammlung einberufen, in welcher der Geheime Sanitätsrat Michaelis eindringlich die Notwendigkeit einer Wasserleitung betonte. Der Hotelbesitzer Menke aus Bad Rehburg sorgte zum Schluss durch ein Fass Bier für eine günstige Stimmung.“ Freibier hilft nahezu immer.
Sieben Kilometer Leitungen verlegten die Rehburger bald darauf mit eigener Muskelkraft. Um die Kosten niedrig zu halten, wurden sie zu Hand- und Spanndiensten herangezogen.
Im August 1888 legten sie los, im November des Jahres floss das erste Wasser bis in den Ort, wo es an zwölf Straßenbrunnen entnommen werden konnte. Piepenbrink freute besonders der Brunnen direkt vor der Schule.
Das idyllische Bild der Wasser schöpfenden Frauen am Meerbach ist seitdem passé. Und auch wesentlich weniger Magenleidende werden in Rehburg erblickt.
Bürgermeister kommt doch nicht auf den Brunnensockel
Der Dank der Rehburger ging so weit, dass sie einen Marktbrunnen errichten wollten, der an die segensreiche Errichtung der Wasserleitung erinnert. Den Entwurf zu diesem Brunnen lieferte der Bürgermeister selbst. Oder vielmehr die Entwürfe. Der Wasserspender mit einer Statue Wilhelm Meßwarbs bekam nicht den Zuschlag. Mit Rauschebart und dem unter den Arm geklemmten Modell eines Hauses ist er nun nur in Miniatur zu bewundern. Den Brunnen hingegen ziert bis heute über kupfernem Dach ein springendes Reh.
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