Lesen (lieben) lernen
Es summt und brummt in Rehburgs neuer Stadtbücherei. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie ehrenamtlich betrieben wird. Mit viel Engagement und Kreativität setzt sich das Lesenetzwerk Rehburg-Loccum dafür ein, die Liebe am geschriebenen Wort, an Büchern und Geschichten zu fördern.
„Vom zweiten Stock sind wir mittlerweile im Erdgeschoss gelandet“, sagt Judith Weber lachend. Die Vorsitzende des Netzwerks erklärt auch gleich, dass dieser Abstieg ein echter Aufstieg in der Vereinsgeschichte ist. Zunächst, nicht lange nach seiner Gründung, hatte das Netzwerk nämlich eine kleine, gemütliche Erlebnisbücherei in Münchehagen. Die Volksbank hatte damals die Räume in ihrem Gebäude zur Verfügung gestellt. So schön auch alles war und so gut alles anlief – letztlich stellte sich doch heraus, dass eine Bücherei, die nur über zwei beschwerliche Treppen zu erreichen war, einen großen Nachteil in sich barg.
Mehr Platz und eine Treppe weniger gab es 2015 – damals ging das Lesenetzwerk nach Rehburg und stellte die Stadtbücherei, die dort im Obergeschoss des Rehburger „Raths-Kellers“ war, auf den Kopf – mit neuem Konzept und vielen Ideen. Wie sich herausstellte, waren die Treppe und die ein wenig versteckt liegenden Räume immer noch ein Hindernis. Rat und Verwaltung entwickelten jedoch andere Pläne, beschlossen, der Bücherei ein neues eigenes Gebäude zu geben und ließen das im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung im Ortsteil Rehburg hinter dem Raths-Keller und auf dem neuen Stadtplatz entstehen. Seitdem, sagen die Frauen vom Lesenetzwerk, haben sie alle Hände voll zu tun.
Zweimal pro Woche, dienstags und donnerstags, ist geöffnet. Irene Alvermann sitzt dann jeweils hinter dem Tresen, nimmt Bücher zurück, gibt Bücher aus, füttert den Computer mit allen Daten und die Kinder unter den Besuchern wissen längst, dass es nach der Ausleihe eigentlich immer noch eine kleine Süßigkeit von ihr gibt.
Die vier Stunden Öffnungszeit reichen Alvermann für die Arbeit niemals aus. Seit April, seit die Bücherei neu eröffnet wurde, kommt sie zumindest eine halbe Stunde vor Beginn an. „Weil dann die ersten Besucher schon vor der Tür stehen“, sagt sie grinsend.
Oft ist es außerdem so, dass in dem Zimmer, das das Team seinen „Erlebnisraum“ nennt, noch weitere Aktionen laufen. Märchen mit einer Rätsel-Rallye besser kennenlernen, ein Bilderbuchkino erleben oder einfach eine Geschichte vorgelesen bekommen, sind Events für Kinder, die gerne angenommen werden. Etliche Mütter und Großmütter nutzen die Zeit, in der die Kinder dorthin verschwunden sind, um sich endlich einmal ganz in Ruhe selbst im Bücherbestand umzusehen.
Noch bekannter zu machen, dass nicht nur Kinderbücher, sondern auch solche für Jugendliche und Erwachsene in der Stadtbücherei ausgeliehen werden können, sei schon im Raths-Keller das Ziel gewesen, sagt Weber – das gelinge nun zunehmend besser.
Haben die Kinder Spaß und bekommen besondere Aktionen rund ums Buch, so sind auch Lesungen für Erwachsene in Planung und die erste bereits durchgeführt – nach und nach will das Team herausfinden, was gewünscht wird und freut sich immer über Anregungen.
Was war aber der eigentliche Sinn und Zweck dieses Netzwerkes? Das, sagt Judith Weber, lag daran, dass um 2005 immer mehr Kindern eine Lese-Rechtschreib-Schwäche attestiert wurde, Eltern aber kaum wussten, wie sie Unterstützung bekommen könnten. Einige Rehburg-Loccumer wollten auf diesen Notstand reagieren. So kam es zu der Gründung und das führte im Lauf der Jahre zu etlichen Aktionen. „Dass wir so viel schon gemacht haben“, sagt das Team kopfschüttelnd, als Weber nur einiges auflistet: in mehreren Kursen Leselernhelfer ausgebildet, drei Bücher herausgegeben, einen Plattdeutsch-Club gegründet, Lesungen zum Welttag des Buches und zum bundesweiten Vorlesetag, Erlebnis-Lesen unter anderem mit Besuchen auf dem Bauernhof und einem Besuch von einem „echten“ Polizisten, Vorlese-Clubs, Vorträge. Die Liste kann noch nahezu beliebig erweitert werden.
Die Leselernhelfer, die damals ausgebildet wurden, sagt Weber, waren die ersten, die in die Schulen in Rehburg-Loccum geschickt wurden. Das gibt es nun immer noch an manchen Schulen und manche, die damals begannen, sind immer noch dabei – wie etwa Waltraud Reineking und Hella Schwarz, die beide immerhin schon seit mehr als zehn Jahren zum Team des Lesenetzwerkes gehören. Mittlerweile schicken andere Institutionen wie das Netzwerkbüro „Ehrenamt vor Ort“ Leselernhelfer in die Schulen aus – der Anstoß dazu sei aber vom Lesenetzwerk gekommen, sagt Weber.
Worum es dabei und bei allen anderen Aktivitäten gegangen ist und immer noch geht, darauf weist Ute Grolms hin – auch sie eine der Frauen der ersten Stunden: Lesen (lieben) lernen. Genau das sei schließlich auch seit Beginn der Slogan des Netzwerkes. Auf die Klammer um „lieben“ macht sie besonders aufmerksam. Hilfe beim Lesen lernen sei das ein Ziel – das sollte aber auch immer damit verknüpft sein, Bücher mit all ihren Geschichten, mit all dem Wissen, das darin gesammelt ist, lieben zu lernen.
Wer genauer wissen möchte, was das Lesenetzwerk an aktuellen Aktionen plant, schaut auf die Website www.lesenetzwerk.de.
Der Verein Lesenetzwerk Rehburg-Loccum hat sich im Juni 2019 aufgelöst.
Die Stadtbücherei Rehburg-Loccum ist am neuen Standort weiterhin für kleine und große Leserinnen und Leser da.
Stadtbücherei Rehburg-Loccum
Heidtorstraße 3
31547 Rehburg-Loccum
OT Rehburg
November 2018
Text und Fotos: ade