In Ururomas Trachten tanzen
Die Volkstanzgruppe Rehburg besteht seit 40 Jahren. „Da stecken die Motten drin.“ Ingrid Kohlrusch kichert – und dreht und wendet ihren Rock, in dem sie tatsächlich hier und dort Löcher ausfindig macht. Kein Wunder: Diesen Rock, sagt sie, habe ihre Ururoma schon getragen.
Die Löcher werden nicht versteckt, sondern mit Stolz getragen – denn schließlich waren es die alten vererbten Rehburger Trachten, die den Ausschlag gaben für die Gründung der Volkstanzgruppe Rehburg. Damals, 1979 – vor 40 Jahren.
Drei Frauen sind noch dabei, die sich an die Anfänge erinnern und seit 40 Jahren zu diesem Kreis gehören. Neben Ingrid Kohlrusch sind das Marie Abelmann und Elfriede Kramer. „Die Tanzmutter“ nennen die anderen Frauen Kramer, weil sie vor rund 15 Jahren die Leitung der Gruppe übernommen hat. „Kameltreiber“ – so bezeichnet Kramer sich scherzhaft selbst. Sie sagt den Frauen schließlich, in welche Richtung sie sich drehen sollen und wo es lang geht. „Volkstanzgruppe im Rehburger Bürger- und Heimatverein“ ist die offizielle Bezeichnung der Gruppe. Nahezu eine Sparte seien sie in dem Verein, sagen die Frauen. Agieren könnten sie aber so frei, wie sie mögen. Der Bürger- und Heimatverein, unter dessen „Dach“ die tanzenden Frauen geschlüpft sind, ist übrigens erst zwei Jahre nach dem ersten Auftritt der Volkstanzgruppe gegründet worden.
“Der Tanz kam eigentlich als Beigabe”, hat sich ein weiteres Gründungsmitglied - Erika Lustfeld – einmal erinnert. Weil immer mehr Stücke der alten Trachten in der Altkleider-Sammlung landeten, sei ihr der Gedanke gekommen, die guten alten Stücke lieber wieder einmal der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mit ihrer Anfrage bei etlichen Frauen aus der Umgebung lief sie offene Türen ein. Volkstänze einstudieren, die in den Trachten vorgeführt werden konnten – da wollten viele gerne mitmachen. Fortan landeten die Stücke von Anno Dazumal in großer Zahl bei den Frauen der Volkstanzgruppe. Handgewebte Röcke – manche schon 150 Jahre alt - ebenso wie schwarze Mieder, Tücher aus feinstem Stoff, Schürzen, Blusen und auch die alten Hauben, die früher – oftmals in mühevoller Kleinarbeit verziert - zum Kirchgang am Sonntag getragen wurden. Gar nicht einfach ist es heutzutage beispielsweise, die oft brüchigen Seidenbänder, mit denen die Hauben unter dem Kinn gebunden werden, zu ersetzen.
Restauriert sind mittlerweile viele der Hauben und solche schönen, wenn auch von Motten zerfressenen Röcke wie die von Ingrid Kohlrusch sind nicht mehr in allzu großer Zahl bei den tanzenden Frauen vorhanden. Schließlich haben sie das, was seinerzeit hergegeben wurde oder sie selbst noch besaßen, in der Zwischenzeit einige Jahrzehnte lang getragen und oftmals auch wehen lassen. Denn wehende Röcke gehören einfach dazu, wenn die Volkstänzerinnen sich formieren.
Die erste „Tanzmutter“ der Gruppe war Erika Lustfeld. Obwohl sie, wie alle anderen auch, eigentlich nichts von Volkstänzen wusste, legten die Frauen munter los. Häufig von ihrem mittlerweile verstorbenen Mann August Lustfeld mit dem Akkordeon begleitet, hatten die Gruppe schon kurz nach der Gründung ihren ersten Auftritt beim Kreislandfrauentag.
Foto Volkstanzgruppe
In den ersten Jahren durfte jeweils die Hälfte der Frauen noch Gehrock und Zylinder tragen, damit „gemischte Paare“ auftraten. Doch schon bald gingen sie dazu über, alle mit wehenden Röcken zu tanzen. Gehrock und Zylinder, erzählt Elfriede Kramer, seien aus der Not heraus geboren: „Keiner unserer Männer wollte mittanzen – da mussten wir andere Lösungen finden.“ Bevor alle Frauen zu Röcken wechselten, hatten sie sich aber schon von den Zylindern getrennt. „Keine Ahnung, wie die Männer das machen, dass der auf dem Kopf bleibt“, sagt Kramer. Bei ihnen seien diese Kopfbedeckungen während des Tanzens dauernd auf dem Boden gelandet. Als „Mann“ tanzt auch Kramer seit 40 Jahren in der Gruppe. Einen großen Nachteil habe das, sagt sie bedauernd: Sie könne einfach nicht mehr mit Männern tanzen. Immer wolle sie führen.
Foto Volkstanzgruppe
Zum Jubiläum luden die derzeit 14 Frauen der Gruppe alle Gründungsmitglieder zu sich ein. Gefeiert wurde das im Bad Rehburger Dorfgemeinschaftshaus, wo sie nach langer Odyssee vor einigen Jahren landeten. An zahlreichen Plätzen hatten sie sich in den ersten Jahren zum Proben getroffen: in der Rehburger Grundschule, in Scheunen, auf Dielen, auf Höfen, eine Weile wurde sogar im Jugendzentrum Volkstanz geprobt. Das Angebot aus Bad Rehburg, im 14-tägigen Rhythmus im Gemeinschaftshaus zusammenzukommen, nahmen sie dankend an – und sind diesem Ort bis heute treu geblieben.
Von den 14 Gründungsmitgliedern kamen zur Jubiläumsfeier zwölf hinzu. Die Verbundenheit zu der Volkstanzgruppe ist immer noch da, auch wenn etliche von ihnen sich zum Tanzen mittlerweile nicht mehr fit genug fühlen. Viele „Aha“-Momente gab es dann, als Elfriede Kramer mit einer Beamer-Show aus 40 Jahren begann. Neben Tänzen mit Zylinder und dem „Harken“-Tanz, bei dem alle die früher bei der Ernte typischen Flatterhüte trugen, riefen insbesondere die Fotos vom Jubiläums-Schützenfest in Rehburg 1986 Erinnerungen hervor. Seit 250 Jahren wurde das Schützenfest damals gefeiert und vermutlich war es in dieser langen Zeit das erste Mal, dass Frauen beim traditionellen Montags-Ausmarsch der Männer mitgehen durften. 16 Frauen in Tracht, von denen jeweils zwei einen großen, mit Tannengrün und roten Rosen geschmückten Bogen trugen, waren in jenem Jahr ein echter Hingucker.
Vor dem Fest waren die Frauen aber noch viel handfester aktiv geworden: An dem seinerzeit eher abbruchreifen Raths-Keller sollte der große Festumzug vorbei defilieren – und die Fenster dort waren allesamt blind vor Dreck. Kurzerhand taten sich die Frauen mit der Feuerwehr zusammen, die ihnen einen Leiterwagen vor die Fassade stellte. In luftiger Höhe sorgten sie dafür, dass auch die Fenster des alten Gebäudes strahlen konnten.
Foto Volkstanzgruppe
Wer Interesse daran hat, bei der Rehburger Volkstanzgruppe mitzumachen, kann sich bei „Tanzmutter“ Elfriede Kramer unter der Nummer (0 50 37) 10 73 melden. An jedem zweiten Donnerstag treffen sich die Frauen zum Proben in Bad Rehburg, um gut auf Auftritte vorbereitet zu sein.
April 2019
Text und Fotos (sofern nicht anders vermerkt): ade