Momente der Stille – die Hora im Kloster
Die Hora hat eindeutig mönchische Tradition und wird dennoch unbeirrt seit Jahrhunderten von Protestanten im Kloster Loccum gefeiert.
Mit dem Glockenläuten um 18 Uhr beginnt das Stundengebet - eine kurze Andacht mit Gesang, Gebet, Minuten der Stille und an einem sehr besonderen Ort: Besucher dürfen sich dann im Hohen Chor in das Chorgestühl setzen.
Der Wirkung dieser Hora kann sich kaum jemand entziehen. Nahezu weltentrückt ist es, sich dort einzuschlängeln in die hölzernen Bankreihen, die aus der Gründerzeit des Klosters stammen – also mehr als 800 Jahre alt sind. Eine gewisse Ehrfurcht kommt auf, zumal für jene die wissen, dass dieser Teil des Chorraumes der Klosterkirche üblicherweise für Besucher abgesperrt ist. So sehr auf Touristen und andere Besucher in der Klosterkirche Wert gelegt wird, die sich den Kirchenraum selbst erschließen – irgendwo muss Schluss sein. Zum Altar soll ein respektvoller Abstand gehalten werden.
Abends um 18 Uhr ist das, wie gesagt, anders. Dann ist der Weg frei und die Chorgestühle rechts und links im Chorraum dürfen besetzt werden. Aus zwei Reihen besteht jedes dieser Möbelstücke. Wer sich zurückziehen mag, wählt die hintere Bank.
Tief sitzen die Besucher. Sie sinken nahezu in das Gestühl ein, denn zu beiden Seiten ragen hölzerne Trennwände bis in Schulterhöhe. Sich auf sich selbst und das, was vor dem Altar geschieht zu konzentrieren und zu besinnen, fällt so nicht schwer. Für Konzentration und Kontemplation sorgen auch brennende Kerzen auf diesen trennenden Wänden.
Licht sollen sie spenden, damit Lied-Texte und Psalmen gelesen werden können. Die Feierlichkeit des Moments unterstreichen sie aber ebenso. Wer dann den Blick nach oben richtet, sieht sich von blauem Himmel und einem Stern gekrönt – ein Stern auf blauem Grund ist auf die Decke aufgemalt, die sich wie zum Schutz über die Sitze reckt. So kommen die Besucher der Hora kurz vor dem 18 Uhr-Läuten zur Ruhe, um von einem der vielen Pastoren in Loccum, von Lektoren oder Vikaren in Empfang genommen zu werden.
Gesungen wird immer und die Musik nur getragen durch die Stimmen derjenigen, die dort sitzen. Kein Orgelspiel, kein anderes Instrument stimmt ein, um den Gesang zu verstärken. Das ist gut so, denn jede Stimme trägt weit in dieser Kirche. Elf Sekunden Nachhall-Zeit – bis in den letzten Winkel schallt, was vorne gesungen und gesagt wird.
Ist das alles schon beeindruckend, so ist der eindringlichste Moment doch der der Stille und diese Aufforderung kommt in jeder Hora: Stille. Alle versenken sich in ihre Gedanken, vielleicht in ein stummes Gebet. Kaum jemals ist ein Räuspern, ein Hüsteln, das Scharren von Füßen oder das Rascheln von Kleidung zu hören. Bis zu diesem Moment hat jeder bereits erfahren, wie weit, wie leicht Töne getragen werden in dem weiten Raum. Die Stille lässt eine Ahnung aufsteigen, wie es jenseits des hektischen Alltags sein kann. Lässt den Geist zur Ruhe kommen.
Am Ende der nur rund 20 Minuten andauernden Hora steht ein Segen. Und die Erkenntnis, dass diese 20 Minuten an besonderem Ort und mit einer jahrhundertealten Tradition eine Erfahrung sind, die ihre Wirkung tut – ganz gleich, ob dort Gläubige oder lediglich Neugierige gesessen haben.
Gut zu wissen:
Stundengebete bestimmen den Tagesrhythmus in Klöstern – so auch im Kloster Loccum, das 1163 als Zisterzienser-Kloster gegründet wurde. Acht Gebetszeiten gab es, zu denen die Mönche zusammenkamen. Als die Reformation gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch in Loccum Einzug hielt, blieben einige der katholischen Traditionen bestehen. So wird das Kloster etwa immer noch von Abt, Prior und Konvent geleitet.
Ein kleines Relikt aus den Zeiten der Stundengebete ist die Hora, die täglich – nur mit Ausnahme der Sonntage und christlicher Feiertage – um 18 Uhr in der Stiftskirche gehalten wird.
Kloster Loccum
Am Markt 18
31547 Rehburg-Loccum
Ortsteil Loccum
www.kloster-loccum.de
Tel.: (0 57 66) 96 02 0
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