Als im Bürgersaal Bauschüler zu Meistern wurden
Bauschule. In großen Lettern steht das Wort an der Fassade von Rehburgs Raths-Keller. Bauschule? Nur die wenigsten erinnern sich daran, dass dort früher mancher Lehrling zum Meister wurde. In der Städtischen bautechnischen Winterschule Rehburg. Wir haben versucht, dieser Schule auf die Spur zu kommen.

(Fassade Bauschule) ade
Der Opa von Jörg Meyer hat die Winterschule besucht. Um Maurer zu werden. Viel mehr hat der Rehburger nicht von ihm erfahren. Nur eines, das ihn schmunzeln macht: Opa Wilhelm erzählte gerne, dass er im Rechnen immer fixer war als seine Mitschüler. Die dann gerne mal auf dessen Heft lugten. Gut möglich, dass Opa Wilhelm von Heinrich Windheim unterrichtet wurde. Auch dessen Enkelin Marion Graw hat nur wenig erzählt bekommen. Maurer war ihr Opa ebenso. Er, der Loccumer, gehörte kurze Zeit zum Kollegium der Bauschule. „Das Unterrichten lag ihm gut“, weiß Marion Graw. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und Opa Heinrich wurde eingezogen.

Der NSDAP-Bürgermeister wollte eine neue Bauschule
Der Zweite Weltkrieg. Ungefähr zum Zeitpunkt seines Beginns verliert sich die Spur der Schule. Wurde sie damals geschlossen? Niemand weiß es. Der letzte Hinweis stammt vom Mai 1939. Ein Bauantrag, unterzeichnet vom im Jahr zuvor von der NSDAP in Rehburg eingesetzten Bürgermeister Günther. Er wollte der Bauschule allem Anschein nach ein neues Gebäude geben. Nur wenige Schritte vom ersten Standort entfernt, direkt am Rehburger Marktplatz. Daraus scheint nie etwas geworden zu sein.
Das Rätselraten geht an dieser Stelle weiter. Denn: Welche Gründe gab es für einen Neubau? Damals stand der Anbau an den Raths-Keller, der diese Schule beherbergte, doch erst 39 Jahre. Wollte sich der braune Bürgermeister ein eigenes Denkmal setzen? Sich von den politisch eher gemäßigten Vorgängern absetzen?
Gut möglich. Genauso kann es aber sein, dass die ursprünglichen Räume nicht mehr ausreichten. Weil die Vorgänger gute Arbeit geleistet hatten und der Ruhm der Bauschule ihr viele Schüler zutrug. Es darf spekuliert werden – und in der Stadt Rehburg-Loccum wird noch immer nach Antworten gesucht.

Baumeister, Bürgermeister und Leiter der Rehburger Bauschule: Wilhelm Meßwarb und sein Sohn Ernst. privat
Nun aber zu den Vorgängern Günthers. Diese Antwort ist leichter zu geben. 1870 schuf Baumeister Wilhelm Meßwarb den Raths-Keller. Errichtet, um die Stadtverwaltung zu beherbergen. Und selbstverständlich auch, um den Ratsherren einen kurzen Weg zum Umtrunk nach erfolgter Sitzung zu bescheren. Der „Keller“ ist in Rehburg im Erdgeschoss und zu einem gepflegten Bier in dieser Kneipe haben sich seitdem viele Generationen von Honoratioren getroffen.

30 Jahre später, im Jahr 1900, war Wilhelm Meßwarb nicht nur Bau- sondern auch Bürgermeister der Stadt. Und entwickelte den Plan der Winterschule. Um ihr ein Dach zu geben, ließ er an den Raths-Keller anbauen: Einen Saal und ein Stockwerk darüber.

Sechszackiger Stern für die Brauer und Mälzer
Der Saal – einst Rathaus- jetzt Bürgersaal tituliert – ist auch mehr als 120 Jahre später immer noch einer der schönsten in weitem Umkreis und der unverkennbare Stil Meßwarbs zeigt sich dort in Reinkultur. Drachenköpfe schmücken ihn, stimmungsvoll ist er in Weiß und Blau bemalt. Und hoch über den Köpfen der Feiernden prangt in kleinen Gefachen Malerei, die Zunftzeichen ähnelt. Landwirt, Maler, Tischler, Schmied, Schneider, Zimmermann und Bäcker tummeln sich dort. Das achte Zeichen wird oft verkannt. Ein Davidstern in dieser Riege?

Nein, das hatte Meßwarb nicht im Sinn. Der sechszackige Stern war vielmehr das Zeichen der Brauer und Mälzer. Die wurden in der Bauschule nicht ausgebildet. Gut möglich, dass es aber eine Verbeugung des Bürgermeisters vor dem Wirt des Kellers war – um ihn bei Laune zu halten, wenn die Ratsherren beim Nachgespräch zu ihren Sitzungen kein Ende fanden.
Tatsächlich unterrichtet wurden Zimmerer, Maurer, Dachdecker, Steinhauer, Tischler, Schlosser und Maler. Darüber gibt eine Werbebroschüre Auskunft, die seinerzeit Schüler anlocken sollte.