Geschichte und Geschichten

aus Rehburg-Locccum

Wassergeschichten

Wassergeschichten

Wo das Magenleiden der Rehburger abgeschafft wurde

Wenn August Lustfeld gefragt wird, was ihm Wasser bedeutet, ist seine Antwort kurz und bündig: „Alles!“ Und das, betont der Rehburger, gehe weit über seine jahrzehntelange Arbeit als Geschäftsführer des Nienburger Kreisverbandes Wasserwirtschaft hinaus. Wie ernst es ihm mit seiner Antwort ist, zeigt sich in seinem Wasserpark – in dem auch der Grund liegt, weswegen 1888 die Anzahl der Magenkranken in der Rehburger Bevölkerung rapide sank.

 

Wasserpark

Lustfeld hat das Tor einladend geöffnet. „Hier war eben was los“, sagt er lachend. Eine ganze Horde Hasen sei um ihn herumgetollt. „Einer nur auf einen Meter Abstand zu mir“, fügt er staunend hinzu. Vermutlich liege es an dem schönen Frühlingstag, dass sie sich so wild gebärdeten, meint der 68-Jährige.

Der Frühling lockt auch andere Tiere hervor. Eine Maus huscht über den Weg, ein Zitronenfalter flattert vorüber und in den Bäumen ringsum lassen Vögel ihr Tirili vielstimmig erklingen. Nur die Fische in den Teichen verhalten sich ruhig. Gesichtet wird lediglich ein glotzäugiger Barsch, der es sich an einer flachen, von der Sonne beschienenen Stelle gemütlich gemacht hat.

Dieser Teich ist einer von neun auf dem Areal an Rehburgs südlichem Ortsausgang. „Einige davon habe ich als Jugendlicher selbst ausgehoben“, erzählt Lustfeld. Mit Spaten und Schubkarre. „Da weiß man, was man getan hat.“ Damals wollte er lediglich Flächen zum Angeln haben und buddelte auf dem Grundstück von Bäcker Preiskorn. Dem kaufte er in den 1990er Jahren einen Teil des Grundstücks ab. Als Lustfelds Ruhestand dann in greifbare Nähe rückte, erstand er einen weiteren Bereich, in dem ein winziges Häuschen steht. Ein Häuschen, das der Bevölkerung Rehburgs einmal zu höherer Lebensqualität verholfen hat.

 

Teich und Haus

Vier mal sechs Meter – mehr misst das Haus nicht. Lustfeld schließt auf und muss seinen Kopf einziehen, um nicht gegen den Türsturz des niedrigen Eingangs zu prallen. Innen hat er eine Sitzbank eingebaut, im Giebel eine Schlafgelegenheit. Was das Häuschen besonders macht, ist in der Tiefe verborgen. „150 Kubikmeter Wasser“, sagt er und tritt demonstrativ mit dem Fuß auf eine metallene Platte. So viel fasst die Zisterne im Untergrund des ersten Rehburger Wasserwerk.

In den Teich nebenan plätschert aus einem Rohr ein dünner, aber unablässiger Wasserstrahl, der aus den Rehburger Bergen kommt, die sich im Hintergrund erheben. „Beste Trinkwasserqualität“, sagt Lustfeld mit unverkennbarem Stolz. Seit mehr als 130 Jahren.


Lustfeld auf Bank

Diesen Schatz aus dem Berg hatte zuerst Rehburgs Lehrer Konrad Piepenbrink entdeckt. Während eines Spaziergangs, so hinterließ er es in der Schulchronik, sei er auf eine Quelle gestoßen. Was für ein Genuss! Ganz im Gegensatz zu jenem Wasser, das er und mit ihm ein großer Teil der Rehburger Tag für Tag zu sich nehmen musste.

 


Idylle pur am Steinhuder Meerbach

Wasser bekamen sie in ihrem Städtchen nämlich in erster Linie aus dem Steinhuder Meerbach. Der plätschert schließlich mitten durch den Ort. Weshalb also nicht nutzen, was direkt vor der Nase ist? Zum Trinken, zum Waschen, zum Putzen, für Menschen und Vieh.

Idyllisch mutet dieser Meerbach an – diesen Eindruck vermittelt zumindest ein Bild im Rehburger Heimatmuseum: Bäume neigen ihre belaubten Kronen bis an den Bach, windschiefe Häuser schmiegen sich nah an das Gewässer, das sich malerisch durch Rehburg windet. Zwei Frauen beugen sich tief über die Uferkante des sacht fließenden Baches und schöpfen Wasser in hölzerne Eimer. Ein Sinnbild von Ruhe und Gelassenheit.

Meerbach

Die harte Realität sah allerdings anders aus. Und das nicht nur, weil die Rehburger eher arm waren und ihren Lebensunterhalt dem Boden abtrotzen mussten. Harte Realität war für sie auch, dass das Wasser aus dem Meerbach keineswegs gesundheitsförderlich war. Doch was blieb ihnen anderes übrig, als ihre Eimer dort hinein zu tunken? Jeder Versuch, Brunnen zu bohren, hatte nur schwefelhaltiges Wasser hervorgefördert.


 

Würmer und Schnecken im Wassereimer

Also fügten sie sich, klagten nicht und tunkten ihre Eimer ins Wasser. Wie es indes um dessen Qualität bestellt war, ist in Rehburgs Schulchronik nachzulesen, in der Piepenbrink um 1880 seine Eindrücke schilderte: „Im Eimer wurde das Wasser ins Haus getragen und nachdem sich Würmer und Schnecken in dem dicken Bodensatz verkrochen hatten wurde das "klare" Wasser in die Kochgeschirre geschöpft. Ekelhaft war diese Methode für Hinzuziehende, namentlich für die Beamten, und von diesen sind oft Pläne auf Abhilfe des Übelstandes erdacht worden, die aber nie zum Ziele geführt haben.“

Piepenbrink hatte mehr Erfolg als seine Vorgänger. Nachdem er klares Quellwasser nahe der Klosterruine Esbeke entdeckt hatte, unterbreitete er Bürgermeister Wilhelm Meßwarb den Plan des Baus einer Wasserleitung.

Überzeugendes Argument: Freibier!

Es bedurfte mancher Überredungskünste bis Lehrer und Bürgermeister auch ihre Rehburger davon überzeugen konnten, diesen – in deren Augen – wahnwitzigen Plan in die Tat umzusetzen. „Bürgermeister Meßwarb hat sich viele Mühen und Unannehmlichkeiten zugezogen“, notierte Piepenbrink in der Schulchronik und fügte auch hinzu, wie die Überzeugung gelang: „Um die Bevölkerung für den Plan günstig zu stimmen, wurde eine Gemeindeversammlung einberufen, in welcher der Geheime Sanitätsrat Michaelis eindringlich die Notwendigkeit einer Wasserleitung betonte. Der Hotelbesitzer Menke aus Bad Rehburg sorgte zum Schluss durch ein Fass Bier für eine günstige Stimmung.“

Wasserpark

Vermutlich hatte der Hotelbesitzer mit dem Freibier die überzeugenderen Argumente als der Sanitätsrat, der über Hygiene und Gesundheit lamentierte, denn bald darauf begannen die Rehburger sieben Kilometer Leitungen zu verlegen. Um die Kosten für die kleine Stadt niedrig zu halten, wurden sie zu Hand- und Spanndiensten herangezogen.

 

Auch die Schule bekam eine Zapfstelle

Im August 1888 legten sie los, im November jenes Jahres floss das erste Wasser bis in den Ort, wo es an zwölf Zapfstellen an der Straße entnommen werden konnte. Piepenbrink freute besonders die Pumpe direkt vor der Schule.

Das idyllische Bild der Wasser schöpfenden Frauen am Meerbach ist seitdem passé. Und es soll auch wesentlich weniger Magenleidende in Rehburg geben.

1929 genügte Wasserversorgung nicht mehr

 Weil seine Kollegen die Leidenschaft Lustfelds für dieses kleine Wasserwerk kannten, überraschten sie ihn zur Pensionierung mit den Original-Plänen des Erweiterungsbaus von 1929, gebaut, weil das Wasser nicht mehr genügend sprudelte, um 1500 Einwohner, 900 Rindviecher, 300 Pferde und 100 Stück Kleinvieh zu versorgen.

Teich mit knorrigen Eichen

Teich mit knorrigen Weiden

Diese Baupläne hängen nun an den Dachschrägen des alten Wasserwerks und warten darauf von vielen gesehen zu werden. Denn das ist Lustfelds Plan: Allen, die sich interessieren, Führungen über sein Areal anbieten. Den Anfang macht die Rehburger Männerfrühstücksrunde Ende Mai. Danach sollen weitere Gruppen folgen, denen er die Bedeutung des Wassers für Rehburg und die findige Technik, mit der es in den Ort geschafft wurde, nahebringen will. Neun Teiche, mehrere Bäche, knorrige Kopfweiden, in denen Fledermäuse hausen, und Steinhaufen, auf denen sich an heißen Tagen Ringelnattern sonnen, inklusive. Viel Arbeit hat er investiert, das Wasser auf seinem Gelände auf allen Bahnen fließen zu lassen. Ein kleines Biotop mit vielfältiger Flora und Fauna ist darüber entstanden.

Den Bürgermeister vom Sockel geholt

 Im Anschluss, so wird er es seinen Gästen empfehlen, könnten sie sich in Rehburgs Ortsmitte von der großen Dankbarkeit der Rehburger überzeugen. Dort steht neben der Kirche ein Brunnen, der an die erste Wasserleitung erinnern soll und von der Bevölkerung finanziert wurde.

Meßwarb Brunnen vor der Alten Schule

Brunnen

Den Entwurf für den Brunnen gestaltete Bürgermeister Meßwarb dereinst selbst. Zu dessen Leidwesen wollte sein dankbares Volk allerdings seinem Vorschlag nicht folgen, ein Abbild seiner selbst auf den Sockel zu heben. Stattdessen hüpft über kupfernem Brunnendach nun ein Reh.


 


Meßwarb auf Sockel

Der ursprüngliche Entwurf ist erhalten geblieben. Mit stolzgeschwellter Brust, wenn auch nur als winziges Modell ist Meßwarb bis heute im Heimatmuseum zu bewundern.

 



Anmeldungen für Führungen durch seinen Wasserpark nimmt August Lustfeld unter Telefon (0160) 97233625 entgegen.