Den Trubel muss man mögen!“ Fünf Generationen leben auf dem Hof Wulf .

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

Den Trubel muss man mögen!“ Fünf Generationen leben auf dem Hof Wulf

„Den Trubel muss man mögen!“ Fünf Generationen leben auf dem Hof Wulf. 

Mehr als 90 Jahre liegen zwischen der ältesten und der jüngsten Bewohnerin auf dem Hof Wulf. Ururoma Inge zählt 91 Jahre, ihre Ururenkelin Emilia Rosalia erst vier Monate. Was heute für viele schwer vorstellbar ist, möchten die fünf Generationen nicht missen, die am Ortsrand Münchehagens unter einem Dach leben: die Gemeinschaft einer Großfamilie.

 

Der Waschkessel ist angeheizt, nach und nach sammelt sich die Familie drumherum. Noch duftet die Pute nicht, die sanft in seinem Inneren schmort. Bis zum Abend wird sich das ändern, wird die Haut kross und das Fleisch zart sein. Dann versammeln sich alle um einen Tisch. Ein Essen im Advent zu dem die ganze Familie sich angemeldet hat.

Der Waschkessel ist angeheizt, nach und nach sammelt sich die Familie drumherum. 

Die Männer haben die Pute gefüllt, die Frauen bekennen, dass sie bei diesem Schmaus überwiegend fürs Schnippeln des Gemüses zuständig sind. Im umfunktionierten Waschkessel liegt das Federvieh, weil es in keinen der vier Backöfen passt, die in den diversen Küchen des Hauses stehen. Schließlich soll jedes der 15 Familienmitglieder, die am Tisch erwartet werden, ein ordentliches Stück vom Braten bekommen.

Ururoma Inge Könemann sitzt neben Kessel und Feuerschale auf ihrem Rollator. Sie ist die Einzige auf dem Hof, die nicht den Nachnamen Wulf trägt. „Ich habe meinen Namen behalten“, sagt sie und grinst verschmitzt. Gelungen ist ihr das damals in den 1930er Jahren, weil ihr Erwählter ebenfalls als Könemann geboren wurde.

Sie ist auch diejenige, die sich an die Anfänge dieser Familie an diesem Ort erinnert. 1933, ein Jahr vor ihrer Geburt, zogen ihre Eltern dorthin. Seitdem hat sich das alte Gebäude sehr verändert.

Ihre Tochter Ingrid holte den Namen Wulf auf den Hof, als sie ihren Heinz heiratete. Damit zog auch ein neues Faible ein: Hatte Inges Mann sich noch ganz und gar der Taubenzucht gewidmet, so brachte Heinz seine Leidenschaft für die Feuerwehr mit.

Untrennbar der Feuerwehr verbunden

Gut erinnert er sich noch an ferne Zeiten, als Münchehagens Feuerwehrfahrzeug in der winzigen Garage an der Hauptstraße stand, die heute noch von dem Schriftzug „Feuerwehr Münchehagen“ gekrönt wird. Selbst der kleinste Mannschaftsbus könnte dort heute nicht mehr untergestellt werden. Schon in den 1960ern war es so, dass sich der Fahrer mühsam auf den Sitz schlängeln musste, wenn es brannte. Den Rest der Mannschaft konnte er erst einlassen, wenn er vor das Tor gefahren war.

Ein neueres Feuerwehrhaus gibt es bereits lange wenige Häuser weiter. Obwohl „neu“ auch darauf schon lange nicht mehr zutrifft. Doch die nächste Unterkunft steht in Aussicht.

Von Heinz über seinen Sohn Andreas mit Frau Mareike bis zu deren Kindern Alisa, Annabell und Luca-Andreas warten alle sehnsüchtig darauf. Schließlich sind sie alle in der Feuerwehr engagiert, viele von ihnen in leitenden Positionen und alle ehrenamtlich.

Der Krümel in der Familie, die kleine Emilia Rosalia, wird zwar noch von ihrer Mama Annabell gewiegt und behütet. Eine Feuerwehr-Karriere wird aber auch ihr vorhergesagt. „Sie hat ja eigentlich gar keine andere Chance“, meint Andreas lachend. Einen passenden Body mit Feuerwehr-Emblem gab es zur Geburt.

Durch die Feuerwehr haben auch Emilia Rosalias Großeltern sich kennengelernt. In der Jugendfeuerwehr, in der Andreas bereits seit vier Jahren mitmischte, als die zehnjährige Mareike hinzukam. Einige Jährchen gingen ins Land bis sie zueinanderkamen, heirateten und beschlossen: „Wir bauen uns ein Haus auf dem Hof.“ Direkt angrenzend an Schwieger- und Großschwiegereltern.

Von Unkenrufen zum Neidfaktor

„Mich haben alle für verrückt erklärt“, erzählt Mareike. So nah an die Familie des Mannes heran? Das könne doch nicht gut gehen, meinten Freunde und Bekannte.

Sie haben sie alle eines Besseren belehrt: Es geht sehr wohl gut. Und als die Kinder da waren, verstummten auch die letzten Unkenrufe. „Nun wurden wir beneidet, weil wir immer Babysitter im Haus hatten und auch mal ausgehen konnten.“

Ein weiterer Vorteil: Irgendwo ist immer ein Mittagessen zu bekommen. Oder mit Anmeldung sogar ein Wunschessen. Andreas‘ Schwester Anika nutzt das gelegentlich immer noch gerne, auch wenn sie und ihr Mann Björn in Loccum leben. „Für Björn war das nichts, immer so dicht zusammen zu sein“, sagt sie. Mit Betonung auf „immer“. Neben der Pute steht er ebenso gerne wie alle anderen.

Immer gemeinsam, niemals allein

„Ja, den Trubel muss man schon mögen“, wirft Andreas ein. Irgendwo ist immer etwas los, wirkliche Ruhe herrscht kaum jemals auf dem Hof – und alle können immer durch alle Haustüren hereinspazieren. Unliebsame Besucher? Fürchtet niemand. Zum einen, weil niemals alle unterwegs sind – und dann sind schließlich auch noch die drei Wachhunde da.

Aber ist denn alles wirklich immer Friede, Freude, Eierkuchen? „Natürlich gibt es auch mal Streit“, sagt Andreas. Das gehöre doch zu jeder guten Familie. Wichtig sei es nur, den auch auszutragen, wenn nötig Kompromisse zu suchen und sich wieder zu vertragen. „An solch einem Familienleben muss man permanent arbeiten“, fügt er hinzu.

Küche, Laube, Wohnzimmer – da spielt sich das Leben ab, zählt Andreas auf. Bei ihnen ist die Küche Dreh- und Angelpunkt, bei seinen Eltern Heinz und Ingrid das Wohnzimmer – das Platz für die ganze Familie hat, wenn nur der Kamin kalt bleibt. „Sonst“, sagt Ingrid lächelnd, „würden die Kinder, die dort sitzen müssen, gegrillt.“

Am 1. Weihnachtsfeiertag sei in diesem Wohnzimmer Bescherung. Und die Pute komme ebenfalls auf den Wohnzimmertisch.

Auf dieses Stichwort hebt Andreas den Deckel an, damit Björn das Tier mit Brühe übergießen kann. Die Vorfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er sagt: Heute Abend sind sie alle da!“

Den Trubel muss man mögen!“ Fünf Generationen leben auf dem Hof Wulf .

Dezember 2025
Beate Ney-Janßen