Perle des Südkreises
Münchehagen bekommt eine Chronik
Der Blick auf die Waage bestätigt den Eindruck: dieses Werk ist schwerwiegend! Genau genommen 2.204 Gramm. Auf 800 Seiten ist nun die Geschichte des Dorfes Münchehagen nachzulesen.

Vollendet: Das Chronik-Team mit den ersten gedruckten Exemplaren der Chronik. Von links: Ute Dahlke, Silke Tate, Dörpvereins-Vorsitzender Daniel Lindenberg, Frank Kräft, Annett Beitz, Wolfgang Deppermann und Christiane Kruse. Es fehlt Lothar Koppelmeyer. ade
Das Glas Sekt haben sie sich reichlich verdient, die Frauen und Männer der Chronik-Sparte des Mönkehäger Dörpvereins. Vor elf Jahren sind sie angetreten mit der Idee, eine Chronik ihres Heimatortes zu schreiben. Elf Jahre, in denen bei manchen die Haare etwas heller wurden. In denen sie aber auch mehr als je zuvor über das Dorf erfahren haben, in dem viele ihr ganzes bisheriges Leben verbracht haben.
Noch klopft Christiane Kruse allen auf die Finger, die begierig nach dem ersten Stapel der druckfrischen Exemplare greifen. „Erst zur Jubiläumsfeier“, vertröstet sie freundlich, aber höchst konsequent.
Wenn der Dörpverein sein 25-jähriges Bestehen im Kreis von Mitgliedern und Freund:innen begeht, wird auch mit dem Verkauf begonnen. Die erste Palette, davon sind alle überzeugt, wird bereits an diesem Abend leer. Und manchen Münchehäger:innen steht womöglich eine Nacht mit dem Schwergewicht auf den Beinen bevor – begierig beim Lesen in dem, worauf sie lange gewartet haben.

Schwergewicht: Die Waage bringt es an den Tag. ade
In jedem der Dörfer Rehburg-Loccums – in Loccum, Rehburg, Bad Rehburg und Winzlar – schlummert in den Bücherregalen eine Zusammenstellung ihrer jeweiligen Geschichte. Nur in Münchehagen gingen die alten Geschichten, Anekdoten und Wissenswertes immer noch von Ohr zu Ohr. Das war die Ausgangslage für die Chronik-Sparte. An der sie grundlegend etwas geändert hat.
Hannovers Presse lobt außerordentlich
Dass Münchehagen 1967 von der Hannoverschen Presse als „Perle des Südkreises tituliert wurde, erfahren die geneigten Leser:innen gleich zu Beginn. Ganzseitig lobte die Presse aus der Landeshauptstadt das Dorf. Wie wohl sie sich in dieser „Perle“ fühlen, stellt die Sparte mit dem exponierten Platz vorneweg sehr deutlich heraus.
Im weiteren Verlauf dürfte es kaum ein Thema geben, das nicht beleuchtet wurde. Von den urzeitigen Anfängen, als „Niedersachsens älteste Einwohner“ ihre Spuren auf ewig in den Sand der flachen Seenlandschaft drückten – der Grundlage des Dinoparks - über die außergewöhnliche Seefahrergeschichte des Ortes, die Ablösung vom Kloster Loccum, Kirchengemeinde, Landwirtschaft, Handel, Dorfleben und Schule bis zu Festen und Vereinen. Ein Kapitel ist selbstverständlich auch der aufwühlenden Geschichte der Sonderabfalldeponie gewidmet. Was zeigt: Die Chronik rückt nah an die Gegenwart heran.
Wie hat alles begonnen?
Zwei Räume im Gemeindehaus hatten sich die ersten Enthusiasten 2014 eingerichtet – mit einem Besprechungstisch, stabilen Regalen, Ablagefächern, einem Computer und Pinnwänden. Und einer langen Reihe Aktenordner, die zu weiten Teilen noch leer waren.
Das sollte sich in den folgenden Jahren ändern. Denn dass viele Unterlagen und viele Erinnerungen in Münchehagen vorhanden sein müssten, dessen war sich die kleine Gruppe schon damals sicher.

Damals, vor elf Jahren: Noch hocken Wolfgang Deppermann, Ursel Dittberner,
Annett Beitz und Christiane Kruse hinter leeren Aktenordnern. ade
Klein war die Gruppe wirklich: Christiane Kruse als diejenige, die sagte, wohin die Reise gehen sollte, dazu Wolfgang Deppermann und Annett Beitz. Schon damals lugte gelegentlich jemand um die Ecke – wie Ursel Dittberner, die auf dem ersten Foto der Chronik-Sparte ebenfalls zu sehen ist.
So war es in den folgenden Jahren: Manche schauten nur vorbei, andere hielten durch. Durchgehalten und im Kreis der mit Sekt anstoßenden tummelt sich Ute Dahlke – die immerhin seit einem Jahrzehnt zum Team gehört.
Damals, 2014, strömten Unterlagen nur so im Gemeindehaus ein. Im Dorf hatte es sich schnell herumgesprochen, was entstehen sollte, so dass die Truppe schnell mitten in der Sammelphase steckte.
Neuigkeiten selbst für Wolfgang Deppermann
Fotografien, Dokumente, Briefe, Tagebücher, Bücher – alles kam auf den Tisch. Ebenso wie das Diktiergerät mit dem sie ältere Einwohner:innen besuchten. Was Wolfgang Deppermann auf Band aufnahm, tippte Annett Beitz danach ab. Deppermann war damals nahezu erstaunt, wie freimütig ihm vieles erzählt wurde. Und was er, der eingeborene Mönkehäger, noch Neues erfahren konnte.
„Fünf Jahre“, lautete da noch die Prognose von Christiane Kruse. Dann werde das Werk wohl vollbracht sein.
Die Aufgabe stellte sich jedoch als größer heraus. Und es kam noch Corona dazwischen. So sind aus den fünf Jahren elf geworden. Ähnlich verschätzt hat das Team sich im Umfang seiner Chronik.

2024, auf dem Weg zum Endspurt – mit immer noch nahezu leeren Aktenordnern, aber einem reichlich gefüllten Laptop: Christiane Kruse, Annett Beitz, Wolfgang Deppermann, Ute Dahlke und Silke Tate. ade
2024. In der Zwischenzeit waren Aktenordner, Tisch und Regale aus dem Gemeindehaus in eine leerstehende Wohnung umgezogen. Und es war auch Silke Tate fester Bestandteil des Teams geworden – die Frau, die letztlich alle Texte und Fotos in übersichtlicher Form fürs Buch aufbereitet hat.
Zu diesem Zeitpunkt stand die Recherche längst an zweiter Stelle, war fast alles gescannt, lagen die vielen Gespräche im Dorf bei Kaffee und Keksen mit dem Block auf den Knien weitestgehend hinter ihnen. Das Team steckte mitten in der nächsten Phase: auswählen, schreiben, bis die Finger wund sind, redigieren und langsam aber sicher auf das Ende der Arbeit zusteuern. Die Schätzung, die sie abgaben: 200 bis 500 Seiten. Das werde der Umfang des Buches sein.
Die 2.004 Gramm auf der Digitalanzeige der Waage und die Zahl „800“ auf der letzten Seite des Buches zeigen: So sehr kann man sich täuschen.
Am Samstag, 8. November, kommt die Chronik Münchehagens erstmals auf den Verkaufstisch. Allerdings nur für Insider, die eine Einladung zur Jubiläumsfeier des Dörpvereins bekommen haben.
Ab dem darauffolgenden Montag 10.11.2025 liegt sie allerdings an sieben Stellen zum Verkauf bereit:
➡️ Daniel Lindenberg, Heidestraße 11
➡️ Christiane Kruse, Schierstraße 2
➡️ Volksbank Niedernwöhren
➡️ Salon Bredemeier, Bergstraße 1
➡️ Gasthaus Deutsche Eiche, Hauptstraße 36
➡️ Gemeindehaus, Loccumer Straße 18
➡️ Romantik Bad Rehburg
Der Preis: 39 Euro
Kommt da noch was?
Und nun? Das Mammutwerk ist gelungen, der Chronik-Sparte bleibt eigentlich nur noch, die Bücher unters Volk zu bringen und sich im Ruhm zu sonnen. Oder?
Ob sie es so ganz sein lassen wollen, da sind sich manche noch nicht sicher. Geschichte werde schließlich jeden Tag weitergeschrieben. Auch in ihrem Dorf.
Vielleicht auf Jahrbücher umsteigen? Sie kennen sich schließlich nun aus.
Noch steht nichts fest. Ein erstes Grübeln ist dem Team aber bereits beim Zuprosten anzusehen.
November 2025
Beate Ney-Janßen
Chronik-Kostprobe aus der Schmunzelecke
Aus einem Zeitungsbericht vom 6. Dezember 1942:
Die neugierige Ziege
Münchehagen. Eine junge Frau, die ihre Ziege heimbrachte, hatte für einen Augenblick die Einkaufstasche in der Nähe des Stalles liegen gelassen. Unternehmungslustig und in froher Stimmung versuchte die Ziege, sich der Tasche zu bemächtigen, um den Inhalt festzustellen. Dieses Unternehmen gelang auch voll und ganz. Die Tasche enthielt viele begehrte Sachen. Ohne Zögern ging es an das Verzehren.
Als die junge Frau ihre Tasche wieder an sich nehmen wollte, war das Vernichtungswerk fast vollendet. Groß war der Schrecken, denn ein größerer Geldschein, ein Bezugsschein und fast alle Sorten Lebensmittelkarten hat die neugierige Ziege sich einverleibt oder bis zur Unkenntlichkeit angefressen.
Auch ein Versuch, die Scheine durch ein Abführmittel wieder an das Tageslicht zu befördern, soll ohne Wirkung gewesen sein.
