Ben hat Spaß an Plattdeutsch – ob im Wettbewerb, in der Schule oder in Rehburgs Heimatmuseum. ade

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

„Vertell, vertell!“ Vom Benser Platt und einer Sprache, die nicht aussterben soll

Vertell, vertell!“ Vom Benser Platt und einer Sprache, die nicht aussterben soll 

„Wir singen und schimpfen auf Platt“, sagt Dana Könemann lachend, „das liegt uns wohl im Blut.“ In das „wir“ bezieht sie ihren Sohn Ben ein. Der ist zwölf Jahre alt und auf dem besten Weg, Vorzeige-Plattsnacker Rehburg-Loccums zu werden.

Ben hat Spaß an Plattdeutsch – ob im Wettbewerb, in der Schule oder in Rehburgs Heimatmuseum. ade

Ben hat Spaß an Plattdeutsch – ob im Wettbewerb, in der Schule oder
in Rehburgs Heimatmuseum. ade

Bens jüngster Coup: Er hat sich unter Senior:innen gemischt. Einmal monatlich lädt der Seniorenbeirat zum plattdeutschen Abend in Rehburgs Heimatmuseum ein. Eigentlich, um Älteren die Chance zu geben, mal wieder ausgiebig in der Sprache ihrer Kindheit zu reden. Und nun senkt Ben den Altersdurchschnitt.

Die Runde ist offen für alle. Das war Otto Lüer wichtig, als er sie vor einigen Jahren ins Leben rief. Für ihn hieß das: Egal ob Rehburger, Loccumer, Husumer oder anderes Platt – alles darf gesprochen werden. Mit den feinen Unterschieden von Dorf zu Dorf, meinte er, solle niemand pingelig sein.

Das klappt gut. Ein rundes Dutzend sitzt eigentlich jedes Mal in der plüschigen guten Stube auf gemütlichen Sofas, erzählt sich was, liest Geschichten vor und hat immer viel zu lachen. Offen und höchst erfreut ist die Runde auch gewesen, als im September Ben in der Tür stand.

Erfolge bei „Schoolkinner lest Platt“

Was ihn dazu gebracht hat, sich unter die Älteren zu mischen, kann er mit dem Inhalt der Tasche erklären, die er zum Interview mitbringt. Plattdeutsche Geschichten zieht er daraus hervor, einige Urkunden und eine Schulmappe.

Erster Preis im Kreisentscheid vom Sparkassen-Wettbewerb „Schoolkinner lest Platt“ steht auf einer der Urkunden. In der nächsten Stufe, dem Bezirksentscheid, reichte es für den Siebtklässler bis zum 2. Platz. „Leider“, sagt er. So kam er nicht mehr auf Niedersachsen-Ebene.

Doch das kann sich noch ändern: in zwei Jahren, wenn der Wettbewerb erneut ausgeschrieben wird, Ben in der 9. Klasse ist und noch einmal mitmachen darf.

Begonnen hat seine plattdeutsche Karriere, als Lehrerin Dörthe Nölkenhöner im Frühjahr in der OBS Loccum von Klasse zu Klasse ging und fragte, wer Interesse habe, Platt in einem Wettbewerb zu lesen.

Care-Pakete mit Wurst von Bultmann und Geschichten op Platt

Ben fackelte nicht lange und hob den Finger. Schließlich hatte er Platt quasi mit der Muttermilch aufgesogen. „Als Ben klein war und wir weit weg wohnten, gab es immer Care-Pakete von seiner Uroma“, erzählt seine Mutter, „mit Wurst von Bultmann und Kindergeschichten, die sie ins Plattdeutsche übersetzt hatte.“

In Münchehagen war Uroma Leni Könemann wohlbekannt – und eine der größten Verfechterinnen für den Erhalt des Plattdeutschen. In der Grundschule bot sie eine Platt-AG an, im Deutschen Haus war sie lebhaft dabei, wenn plattdeutsche Nachmittage angeboten wurden, und für die Bücher, die das Lesenetzwerk Rehburg-Loccums mit Geschichten aus der Stadt herausgab, steuerte sie etliche Anekdoten bei.

 

Dorfgeschichten aus Rehburg-Loccum - "So was dat freuer". ade

Foto: ade

Ben meldete sich also zum Lesewettbewerb an. Gewann den Schulentscheid der OBS, kam zum Kreis- und Bezirksentscheid. Völlig klar, dass er auch dabei sein wollte, als seine Lehrerin in diesem Schuljahr zum ersten Mal eine Plattdeutsch-AG anbot.

Das Interesse daran sei zwar klein, erzählt er. Nur vier Schüler:innen körn, snaken, spräken oder prooten 90 Minuten pro Woche. Er lässt sich aber nicht beirren, ist trotzdem mit Begeisterung dabei – und hat schon einiges mehr als snaken op Platt gelernt.

Dass Plattdeutsch kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache ist beispielsweise. Eine Sprechsprache für die es keine festgelegte Schriftform geht. Weshalb alles, was auf Platt verschriftlicht wird, immer nur vom Hörensagen kommt. Dass Platt viele Elemente aus dem Hochdeutschen, Englischen, Niederländischen hat – oder umgekehrt. Was zuerst da war, will er noch versuchen herauszufinden. Gelernt hat er aber auch, dass nahezu jedes Dorf sein eigenes Platt hat.

Jedem Dorf sein Platt – und Ben sein eigenes

Seine Lehrerin, die spreche Uchter Platt, berichtet er. Das schlage sich auch in den Geschichten nieder, die sie zur AG mitbringe. Das Platt aus Uchte mischt sich bei ihm nun mit dem Mönkehäger Platt, das er zu Hause hört. Und mit den Einwürfen aus vielen Dörfern in der Seniorenrunde. Was dabei herauskommt? „Benser Platt“, sagt Bens Mutter glucksend.

 

Fröhlich und immer freundlich: Im Heimatmuseum snaken einmal im Monat Senior:innen Platt. ade

Fröhlich und immer freundlich: Im Heimatmuseum snaken einmal im Monat Senior:innen Platt. ade

 Nicht nur Lüers Senior:innenrunde hofft darauf, dass Ben in seiner Begeisterung nicht nachlässt. Auch Rehburgs Bürger- und Heimatverein hat schon anklingen lassen, dass er Ben gerne als eine Art Botschafter des Plattdeutschen engagieren würde. Womöglich beim nächsten plattdeutschen Gottesdienst.

Verwunderlich ist das nicht: Fast 7.000 Sprachen werden auf der Welt gesprochen, doch jeden Monat stirbt eine davon aus. Auf der Roten Liste der aussterbenden Sprachen steht auch Plattdeutsch.

 


Dösbaddel statt Volltrottel

Ben bedauert das sehr, auch weil viele überlieferte Begriffe es ihm angetan haben. Was für ihn außerdem noch dazukommt: „Nichts, was auf Plattdeutsch gesagt wird, ist wirklich böse.“ Es mache doch einen Unterschied, ob jemand als „du alter Volltrottel“ oder „du olle Dösbaddel“ bezeichnet werde. Allein dafür, meint Ben, lohne es sich die plattdeutsche Sprache nicht aussterben zu lassen.

Oktober 2025
Beate Ney-Janßen

Lust bekommen, selbst im Heimatmuseum Platt zu snacken? Otto Lüer erteilt unter (05037) 35 72 bereitwillig Auskunft. Jeweils am vierten Mittwoch des Monats schließt er um 19 Uhr die Tür auf.

📍 Heimatmuseum Rehburg
Auf der Bleiche 2
31547 Rehburg-Loccum

Verbleibende Termine 2025:
Mi, 22. Oktober
Mi, 26. November

Weiter geht es am 28. Januar 2026. Zwischen Weihnachten und Neujahr müssen alle in den eigenen vier Wänden miteinander Platt sprechen.