Beim Spaziergang auf den Asphaltstraßen des Haarbergs zückt Richter eine Karte des Geländes. Er hat das Gebiet schwarz umrahmt, das die Stadt im Oktober 2024 gekauft hat. Der komplette eingezäunte Bereich, in dem die NATO zur Zeit des Kalten Krieges eine Raketenabwehrstation unterhielt, gehört dazu, ebenso eine Wiese westlich des Areals. Und auch einen Teil des östlich gelegenen Steinbruchs hat die Stadt erworben.
„Zurückgekauft“ trifft es allerdings eher. 1995 zog die NATO sich zurück. Der Berg, der trotz seiner geringen Höhe von 86 Metern eine beeindruckende Erhebung in der norddeutschen Tiefebene ist, weckte Begehrlichkeiten von Investoren. 2010 verkaufte die Stadt an einen von ihnen. Aus dessen Plänen – die bis zu einer Seilbahn vom Berg direkt zum Steinhuder Meer reichten – wurde allerdings nichts. So nahm Rehburg-Loccum sein Rückkaufrecht in Anspruch.
Rentabilität von Photovoltaik im Fokus
Das rund zehn Hektar große Gelände würde Richter gerne in zwei Abschnitte teilen. Im Süden sieht er Chancen, auf rund vier Hektar eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage aufzubauen.
Ein Plan, der allerdings einige Schwierigkeiten beinhaltet. Erkenntnisse zur Rentabilität habe die Verwaltung sich von einem Gespräch mit dem Energieversorger versprochen, führte Stadtbürgermeister Martin Franke in der jüngsten Sitzung von Winzlars Ortsrat aus. Der habe abgewinkt. Vom Haarberg bis zum Umspannwerk in Rehburg seien es 4,5 Kilometer. Über diese Strecke müsse eine Leitung verlegt werden. Kostenpunkt: 500 Euro je Meter. Der gute Plan sei nach ersten groben Schätzungen wirtschaftlich nicht darstellbar.

Mit groben Strichen hat Richter skizziert, wie die Nutzung des Haarbergs aussehen könnte. privat
Richter hat jedoch noch eine Idee in der Hinterhand. Bevor der Plan fallen gelassen wird, will er sich mit dem Investor in Verbindung setzen, der eine Agri-Photovoltaikanlage auf einem Acker an der Winzlarer Straße in Rehburg erwägt, um Möglichkeiten einer Kooperation abzuklopfen. Die Fläche sei für Photovoltaik ideal, meint Richter: ein Südhang, auf dem außer einigen jungen Bäumen und Gebüsch nichts gerodet werden müsse.
Franke wirft einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: Werde auf der freien Fläche Photovoltaik installiert, gingen diese vier Hektar der Stadt als Kompensationsfläche verloren und nicht nur das: sie müssten ihrerseits ausgeglichen werden.
Dringend benötigte Kompensationsflächen
Diese Nutzung war der vorrangige Grund, den Haarberg zurückzukaufen: Eine große brach liegende Fläche, die der Stadt beispielsweise nach der Ausweisung von Baugebieten aus der stets wiederkehrenden Bredouille helfen sollte, geeignete Kompensationsflächen zu finden. Von den vielen Hektar Land könne sie lange zehren. Der Kaufpreis, rechnet Franke vor, werde fünffach aufgefangen und ökologisch ließe sich das Gelände gut aufwerten. Unterhaltungskosten würden zwar anfallen, hielten sich aber voraussichtlich in Grenzen.

Die Natur erobert sich – wie hier mit Mauerpfeffer – den Haarberg zurück. Pflegemaßnahmen sollen diesen Prozess unterstreichen. ade
Ein Blick auf das Gelände unterstreicht diese Einschätzung eindrücklich: Wo vor 30 Jahren noch Raketen abgewehrt werden sollten, hat die Natur sich wieder durchgesetzt, blüht Mauerpfeffer in den Asphaltspalten und heben Hasen lauschend die Löffel. Darauf, meint auch Richter, könne aufgebaut werden.
Tourismus mit Ausblick
Der dritte Punkt, den Winzlars Ortsrat berücksichtigt, ist das touristische Potential des Areals. Sowohl mit seiner Lage, die den Blick auf das Steinhuder Meer freigibt, als auch mit seiner Historie könne der Haarberg punkten, sagt Richter.
Für ersteres schwebe dem Ortsrat ein Aussichtsturm vor, der auf der Kuppe des Berges aufgestellt werde. „So hoch, dass rundum freie Sicht auf Land und Meer ist.“
Zu dieser Kuppe führt ein Weg, tief im Gebüsch versteckt ist eine Treppe samt Geländer noch intakt. Dieses wie jenes müsse natürlich freigeschnitten werden, führt Richter an. Den Lost Place-Charakter dieser Landschaft würde er aber gerne erhalten. Inklusive der asphaltierten Straßen, Bunkeranlagen und Schuttberge aus der NATO-Zeit. Eine Herausforderung sei dabei der Sicherheitsaspekt, wenn das Betreten des Geländes erlaubt werde. Noch versperrt ein Tor mit robustem Schloss den Zugang, umgibt ein Zaun das Gelände.

Den Lost Place-Charakter des Geländes möchte Markus Richter nach Möglichkeit erhalten. ade
Die vielfältige Geschichte des Haarbergs darzustellen, ist Richter ein Anliegen. Alle, die auf dem Berg spazieren, sollten nach seiner Ansicht sowohl über die NATO-Geschichte als auch über den Haarberg als ursprünglichen Stammsitz der Münchhausens Informationen bekommen.
Darin sind er und Franke sich einig. Die Naturschutzbehörde habe bereits grünes Licht für sanften Tourismus dieser Art auf dem Haarberg gegeben, teilte Franke dem Ortsrat mit. Infotafeln zur Familie des Lügenbarons und zur Rolle des Haarbergs im Kalten Krieg wie auch die Nutzung der bestehenden Wege habe die Verwaltung im Blick. Aufatmen kam aus den Reihen des Ortsrates, als er ausführte, dass das Entfernen des Zauns eines der Ziele sei. Seinen 86 Meter hohen Leuchtturm mit Meerblick möchte das Dorf gerne ansprechend präsentieren.
Mehr Informationen zur Geschichte des Haarbergs haben wir in zwei Stadtgeschichte(n) auf unserer Homepage hinterlegt: