Eine Collage aus Portraits engagierter Bürger

Wir sind Rehburg-Loccum:

Rehburg zwischen Traditon und Moderne

Rehburg

Tradition, Milch und Motoren - Rehburg

Andre Janssen vor dem touristischen Hinweisschild der Stadt



Ob ein Leben reicht, um alles über Rehburg zu wissen? Bevor wir zum Spaziergang mit André Janssen aufgebrochen sind, war er der Ansicht, dass er sich reichlich gut auskennt in dem Städtchen, in dem er seit seiner Geburt lebt. Jetzt ahnt er: Da gibt es immer noch mehr zu entdecken!

 

Schützenfestteilnehmer von oben gesehen


Schützenfest ist Ehrensache für André. Seit er volljährig ist. Drei bis vier Tage feiern, auf einen guten Königsschuss hoffen und Traditionen pflegen. Schließlich wird dieses Fest seit 1736 in Rehburg gefeiert. „Dafür gibt es dann auch schon mal eine Stunde schulfrei“, erzählt André. Schulfrei für Grundschüler und Kita-Kinder, damit sie sich den großen Ausmarsch am Montag ansehen können. Natürlich nur für eine Stunde. Rund 400 Männer in schwarzen Anzügen, mit Zylinder und geschultertem Holzgewehr bestaunen sie dann. 


1736 ist eine lange Tradition? Noch gar nichts im Vergleich zu den Stadtrechten, die Rehburg 1648 verliehen wurden. Rehburgs ältester Bau, die Reheburgk, stand damals schon einige Jahrhunderte. Die Burg, in der sich heute der Verwaltungssitz Rehburg-Loccums befindet. Von der ursprünglichen Substanz ist immerhin noch ein Gewölbekeller erhalten.

Heimatmuseum Rehburg


Mit dieser alten Geschichte ist André schon als Schüler konfrontiert worden. Beim Besuch im Heimatmuseum, staunend vor dem großen Modell des mittelalterlichen Ortes im Obergeschoss des Fachwerkhauses. „Muss ich unbedingt mal wieder hin“, sagt er. Sonntags, wenn die Tür offen steht und das Team vom Bürger- und Heimatverein neben Führungen auch Kaffee, Kuchen und Klönschnack in der Guten Stube anbietet. Der Frankfurter Kranz, den das Frauenteam backt, soll schließlich legendär gut sein.

Was er sich ebenfalls vorgenommen hat, ist ein Aufstieg in den Feuerwehrturm. Der steht seit mehr als 100 Jahren am Marktplatz, ist quasi zum Wahrzeichen geworden, dient aber nur noch der Zierde statt des Trocknens von Feuerwehrschläuchen. Schlüsselgewalt hat Ortsbrandmeister Lars Brümmer und gelegentlich nimmt der Leute nach inständigen Bitten durch Spinnweben und über steile Stiegen mit nach oben.

Was André weiß: Der Turm ist auf dem Zeichenbrett der Meßwarbs ersonnen worden. Vater und Sohn, Wilhelm und Ernst, die von Ende des 19. Jahrhunderts bis 1938 als Architekten und Bürgermeister der Stadt ihren Stempel aufdrückten. „Rehburger Baustil“ wird das genannt, was sie geschaffen haben, und das zieht sich unverkennbar durch weite Teile des Ortes.

Schlauchturm der Feuerwehr Rehburg



Am Marktplatz sind es nicht nur Feuerwehrturm und Heimatmuseum, die die Rehburger ihnen zu verdanken haben, sondern auch die alte Schule, in der mittlerweile die Polizei residiert, und der Raths-Keller.

 


Andre Janßen im Rathskeller

Diesen Raths-Keller kennt André nur zu gut. Jahrelang, schon als Schüler, hat er dort gejobbt. Am Tresen in der Gaststube und bei Feiern im Bürgersaal. „Daher kenne ich die meisten Rehburger“, sagt er. Und hat so manche Geschichte erfahren. Im Saal stehend atmet er tief durch. Das riecht förmlich nach guten Erinnerungen – und der Saal selbst, meint er, sei immer wieder überwältigend. Mit den geschnitzten Drachen hoch über den Köpfen und weiterer fantasievoller Ausgestaltung. Und auch mit dem Spruch, den die Meßwarbs an die Empore schrieben ließen: „Fürs Ganze, nicht für dich, tritt ein. So wird des Ortes Wohl gedeihn.“ André ist sich sicher, dass so mancher, der diese Zeile liest, ins Grübeln gerät, ob er ihr wohl genügt. Am Ehrenamt, meint er, mangele es in dem Städtchen aber nicht.

Rosen liegen bei den Stolpersteinen


Direkt über dem Bürgersaal hat der Stolperstein-Arbeitskreis seine Geschichtswerkstatt und beim Spaziergang auf der Mühlentorstraße stoßen Fußgänger auf etliche dieser Stolpersteine. Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ist das. Wichtig, damit sich solche Schrecken nicht wiederholen. Den dunklen Kapiteln der Geschichtsschreibung Rehburgs kann André aber viele positive hinzufügen.

 


Direkt neben dem Raths-Keller lehnt er sich an das Geländer zum Meerbach. Dieser Bach ist der einzige Abfluss des Steinhuder Meeres, verläuft nahezu schnurgerade durch Rehburg und beginnt danach, sich malerisch durch die Landschaft zu mäandern.

mit dem Boot auf dem Mühlbach unterwegs


Andrés Tipp: Ein Kanu einsetzen und die Stille auf dem Meerbach über viele Kilometer bis zum Eintritt in die Weser bei Nienburg genießen. Von der Sage seiner Entstehung erfährt André allerdings erst aus einem Büchlein, das er aus dem Offenen Bücherschrank am Marktplatz mitgenommen hat. Die Tränen einer königlichen Jungfrau, deren Liebster von Nixen ins Steinhuder Meer gezogen wurde, haben den Bach entstehen lassen? „Was die Leute alles glauben“, lacht André.

 

Das Büchlein behält er bei sich. „Stadtpunkte“ nennt es sich. Ein Führer durch alle Ortsteile Rehburg-Loccums. Wer weiß, was er dort noch Neues über Rehburg entdecken kann.

Nicht neu und auch nicht zu übersehen ist Rehburgs höchster Turm – der zu den frischli-Milchwerken gehört. „Einer der größten Arbeitgeber in der Stadt“, sagt André. Vor mehr als 100 Jahren als kleine Molkerei der Familie Holtorf gegründet, die immer noch einen großen Anteil am Unternehmen hat. Die Milch macht’s in Rehburg – und die Milchwerke expandieren immer noch. Neuerdings haben sie sogar eine vegane Produktlinie aufgelegt.

Mühlenruine in Rehburg


Aber André will noch weiter als zu den Milchwerken, die Straße entlang, eine Hügelkuppe herauf. Schützenplatz und Schützenheim sind dort, direkt daneben die Jünger-Villa, in der der einzige Ehrenbürger Rehburgs seine Jugendjahre verbrachte: Der Schriftsteller Ernst Jünger.
Doch das ist es nicht, was André zeigen will. Ihn zieht es in den Jünger-Weg, den Mühlenberg hinauf, in ein winziges Wäldchen. Dort steht verlassen, aber in den Grundmauern seit mehr als 100 Jahren ungebrochen die Ruine einer Windmühle. „Ein Lieblingsplatz“, sagt André. Man muss sich eben auskennen in Rehburg…


Ein weiterer Lieblingsplatz für viele befindet sich am anderen Ende Rehburgs: Kurz vorm Ortsausgang gen Mardorf steht eine schlichte rote Halle. Darin: ein Traum für Motorrad-Fans. Nun ist André eher Rad- als Motorradfahrer, hat sich dort aber immerhin schon mal sein Zweirad reparieren lassen. Ausnahmsweise. Und einen neugierigen Blick in das Museum des Benelli-Bauern geworfen.

Wilfried Blöthe an seinem Benelli Motorad

Der heißt eigentlich Wilfried Blöthe, ist in erstem Leben Landwirt und hat nebenbei seine Motorrad-Leidenschaft zu einem zweiten Standbein ausgebaut. Allerdings durfte es nur eine Marke sein: Benelli. Nun besitzt der Benelli-Bauer das weltweit größte Ersatzteillager historischer Benellis und hat sich ein eigenes Museum eingerichtet, in dem mehr als 100 dieser Maschinen stehen. „Echt sehenswert“, sagt André. Auch für alle, die nicht gerne auf motorisierten Zweirädern durch die Landschaft düsen. 

 

 

Ein Esel der Familie Ellermann auf der Wiese


Doch dann zieht es André zurück nach Hause. Ab aufs Fahrrad, vorbei an den Eseln von Familie Ellermann, die die seltene Rasse Baudet du Poitou züchten, an Grundschule und Kindergarten entlang, die er als Kind besucht hat. Kurz hält er noch an, um zum Hallenbad zu deuten und darauf hinzuweisen, dass direkt daneben bald eine neue Sporthalle gebaut wird. Ein kleines Sportzentrum soll dort entstehen, direkt im Herzen Rehburgs. Da schlägt sein Fußballerherz gleich höher. 


Zu Hause warten aber schon Freunde auf ihn. Denn das, sagt er, ist es, was ihm an seiner Stadt am besten gefällt: Die Menschen. Weswegen er niemals hier weg will.