Der Loccumer Laden in der Marktstraße in Loccum

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

Loccumer Laden - allerlei für alle

Loccumer Laden - allerlei für alle

Alle sind willkommen! Im September hat die Kleiderkammer Loccum eigene Räume in Loccums Marktstraße bekommen – und führt jetzt auch einen neuen Namen, der irgendwie folgerichtig ist: Loccumer Laden. Die Unterzeile beschreibt treffend, was und für wen es dort etwas gibt: Allerlei für alle.

 

Der Loccumer Laden in der Marktstraße in Loccum

Neuer Ort, neuer Name: In Loccums Marktstraße ist seit September der ‚Loccumer Laden‘.

 

Sylvia Homeyer und Carmen Thomas, Christiane Anhelm, Kerstin Hoppe, Annette Sierk, Sabine Giesler und Brunhilde Brauner hatten zur Eröffnung letzte Hand angelegt. Wohin mit den Schuhen? Wie die Kinderkleidung verteilen und wie die Haushaltswaren präsentieren? Geputzt, gemalert, repariert und eingeräumt – alles, wie sie betonen, auch immer mal wieder mit tatkräftiger Unterstützung durch ihre Männer – hatten sie vorher schon.

Als die Tür zu ihren Räumen einladend offenstand, hatte es sich bereits herumgesprochen, dass es Veränderungen bei der Kleiderkammer gibt. Sonst hätte das Loccumer Paar, das gerade mitten im eigenen Umzug steckte, wohl kaum kistenweise angeschleppt, was es nicht mehr verwenden konnte. Geschirr, Besteck, Bettwäsche, eine Kaffeemaschine. Ob sie auch Tischlampen bringen dürfen? Sie durften. Es war doch noch Platz in der Marktstraße 31.

Für die Frauen des Loccumer Ladens ist es ganz neues Arbeiten: Dinge anzunehmen, die einen festen Platz bekommen können und Räume zu haben, in denen sie sich ausbreiten dürfen. Zupackend sind alle nicht erst seit diesem Umzug dabei.

Erstes Provisorium nach Kriegsausbruch

Vor eineinhalb Jahren, nach Ausbruch des Krieges und als feststand, dass in der alten Sporthalle Loccums die zentrale Flüchtlingsunterkunft für den Landkreis Nienburg eingerichtet werden würde, hatten die Frauen nicht lange gefackelt.

Irgendetwas und meistens nahezu alles fehlte den Menschen, die dort strandeten. Denen müsse geholfen werden, sagten die Frauen sich und richteten eine provisorische Kleiderkammer in der Halle ein: Kleiderständer, die in einem Verschlag abgestellt und immer dann in die Halle transportiert wurden, wenn neue Flüchtlinge ankamen oder ansonsten Bedarf bestand.

 

Die Anfänge in der Halle für alle. Kleidung wird sortiert.

Die Anfänge in einem Verschlag in der Halle für alle: Annette Sierk beginnt, die Kleiderständer in die Halle zu fahren.

 

Darum, dass diese Kleiderständer immer gut gefüllt waren, brauchten sie keine Sorge zu haben. Spenden gab es von vielen Seiten. Mal ein einzelnes Kleidungsstück, häufig aber auch Müllsäcke voller guter tragbarer Ware. Lachend erinnern sich die Frauen an wahre Berge von Bettwäsche und Handtüchern, die die Eigentümer wechselten. Die Regale für Bettwäsche und Handtücher leeren sich aber auch jetzt, im Loccumer Laden, immer noch in rasantem Tempo. Nur die Koffer-Nachfrage hat sich mittlerweile stark reduziert. Wer nicht mehr auf der Flucht bei sich hatte als einen kleinen Rucksack auf dem Rücken, benötigte damals immer auch Stauraum.

Akute Not unter Ukrainern lindern

Was die Frauen erreichten war, akute Not unter den Geflüchteten aus der Ukraine zu lindern. Doch ihre Idee reichte weiter: Nicht nur jenen, die in der Halle gelandet waren, wollten sie helfen, sondern allen, die womöglich gerne auf ihre Secondhand-Angebote zurückgreifen.

Ihre erste Konsequenz: Einmal monatlich luden sie zu einer öffentlichen Kleiderkammer ein. Je nach Wetterlage auf dem benachbarten Schulhof oder in der Aula der Oberschule.

Als die Flüchtlingsunterkunft aufgelöst wurde, konnte die Kleiderkammer auch in der Halle agieren. Gleichzeitig schauten die Frauen in Loccum aber neugierig in alle Fenster: Wo stehen Räume leer, die zum festen Unterschlupf werden könnten?

Fündig wurden sie in dieser Marktstraße 31. Vor langer Zeit war dort ein Ladengeschäft, nun stand es leer. Sie nahmen Kontakt zum Eigentümer auf – der sie unterstützen wollte und ihnen den Laden mietfrei überließ. Lediglich für die Nebenkosten müssen sie aufkommen und gefeit sein, wieder auszuziehen, wenn sich für das Haus ein Käufer findet. Bedingungen, die sie gerne akzeptierten.

Vereinsstruktur ist notwendig

An dieser Stelle war auch der Punkt erreicht, an dem sie sich über ihre Organisation Gedanken machen mussten – weil Verpflichtungen und Verbindlichkeiten ins Spiel kamen, die eine Struktur erfordern. Fündig wurden sie beim Verein für Kinder-, Jugend- und Kulturarbeit, der vor Jahrzehnten eigentlich gegründet wurde, um Jugendarbeit in Loccum auszubauen und aufzubauen. Der Loccumer Laden ist nun eine Sparte dieses Vereins.

Ein Problem war gelöst, für die Frauen stand „nur“ noch der Einzug in die Marktstraße auf dem Programm. Sie krempelten die Frauen die Ärmel hoch und konnten auf viel Hilfe aus Loccum zählen. Handwerker, die Reparaturen kostenlos durchführten, Geschäftsleute, die ihnen dieses und jenes spendeten. Den Schriftzug für die Schaufenstergestaltung designte und spendierte ihnen die Loccumerin Anne Sator.

Das ganze Team des Loccumer Ladens

Dass nahezu alle aus dem Team zusammenkommen, ist eher selten – kurz vor der Eröffnung packen aber viele Frauen noch einmal kräftig an.

 Am 4. September hatten sie ihre Dienstpläne geschrieben, wollten zu Öffnungszeiten jeweils zu zweit im Laden sein und waren höchst gespannt, wie – und ob – ihr Laden angenommen wird.

Nicht einmal vier Wochen später hatte sich nicht nur alles eingespielt, sondern für die Frauen stand auch fest, dass sie den Nerv der Loccumer und auch der Umgebung getroffen hatten. Mit Kleidung, Schuhen, Bettwäsche, Handtüchern, mit Spielzeug, Haushaltswaren und Deko-Artikeln und das zu Flohmarktpreisen mit denen sie ihre Ausgaben refinanzieren können.

Loccums neuer Lieblingsladen

„Mein neuer Lieblingsladen“, beteuert eine Loccumerin, die mit voller Tasche nach Hause schlendert während bereits Nachschub die Ladentür passiert. „Könnt ihr noch zwei Kisten mit Kleidung gebrauchen?“ fragt eine schwer beladene Frau. Den nehmen sie gerne.

Geben und nehmen, rein und raus. Das eigentlich ziemlich großzügig geschnittene Ladengeschäft war schnell gefüllt,. Das Angebot ist sogar so groß, dass Carmen Thomas ein wenig über den zu winzigen Ladentisch jammert, an dem sie die Preise für Ausgewähltes festlegt. Eine Liste liefert ihr Anhaltspunkte. 50 Cent bis drei Euro, mehr kostet kaum etwas. „Das erhöht die Wertschätzung gegenüber den Dingen“, sagt sie zum kleinen Preis statt kostenloser Abgabe. Und das Team kann von dem Kleingeld die anfallenden Kosten finanzieren.

Dass sie dennoch alle ehrenamtlich arbeiten versteht sich für sie von selbst. Ganz gleich, ob sie sich als Modeberaterinnen betätigen, Kleidung einsortieren, den Putzlappen schwingen oder – so wie Brunhilde Brauner – dann einspringen, wenn jemand spenden will, aber keine Möglichkeit hat, die Sachen nach Loccum zu bringen. „Dann fahre ich eben mal los“, sagt die Rehburgerin resolut während sie einen Karton auspackt und neben ihr Kunden stöbern.

Es trauen sich alle in den Loccumer Laden

Zum Stöbern kommen viele: Geflüchtete aus der Ukraine, für die das Team ursprünglich die Kleiderkammer eingerichtet hatte. Andere Loccumer, für die es ein spannendes und nahes Angebot ist – und die womöglich entdecken, was sie in diesem Moment dringend nötig haben, zieht es ebenso in den Laden. Wie die junge Frau, die zünftig gekleidet zum Oktoberfest in der Loccumer Heide gehen will und glücklich mit einem Arm voll Kleidung samt passendem Täschchen abzieht. „Wir haben aber auch schon Mindener Autokennzeichen vor der Tür gesehen“, sagt Kerstin Hoppe. Es spricht sich also ziemlich schnell herum, dass Loccum nun noch mehr zu bieten hat. Und auch, dass die Kleiderkammer viele Bedürfnisse befriedigen kann und nicht nur für Geflüchtete besteht. Darauf, dass alle kommen können, legt das Team großen Wert.

Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst

Für Kerstin Hoppe, Carmen Thomas, Brunhilde Brauner und die anderen Frauen ist und bleibt die Kleiderkammer eine erfüllende Aufgabe. Und alle haben sie auch ihr eigenes Faible für Second Hand entdeckt. „Wenn ich sehe, wie viel wir alle besitzen, und was uns alles gespendet wird, sickert der Nachhaltigkeitsgedanke bei mir immer mehr durch“, sagt Kerstin Hoppe. Spricht’s und beginnt mit den anderen Frauen zu diskutieren, welcher von ihnen die Bluse, die sie eben in die Hand genommen hat, wohl am besten stehen würde.

Blusenauswahl im Loccumer Laden.

Wem steht diese Bluse? Brunhilde Brauner, Kerstin Hoppe und Carmen Thomas diskutieren.

 





Wer für die Kleiderkammer spenden möchte, kann ebenfalls zu den Öffnungszeiten kommen. Die Frauen bitten allerdings dringend darum, vorher anzurufen, denn nicht alles wird jederzeit benötigt oder kann bei ihnen gelagert werden. Für solche Anfragen stehen Christiane Anhelm unter (05766) 7261, Kerstin Hoppe unter (05766) 1778 und Carmen Thomas unter (05766) 1407 zur Verfügung.

Geöffnet ist jeweils montags und donnerstags von 15 bis 17 Uhr.

Dezember 2023

Text und Fotos: Beate Ney-Janßen