Bauen Frischlis vegane Linie auf: Henrike Kaluza, Jan Hesse, Timo Winkelmann

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

Rehburgs Frischli-Milchwerke bauen auf Haferdrinks

Rehburgs Frischli-Milchwerke bauen auf Haferdrinks

Es wird gebaut auf dem Firmengelände von Rehburgs Frischli-Milchwerken. Gut einsehbar von der Straße entsteht eine neue Halle. Ihr Zweck: Hafer verflüssigen. Das alteingesessene milchverarbeitende Unternehmen geht einen weiteren Schritt hin zum Aufbau einer veganen Produktlinie jenseits der Milch.

 

Bauen Frischlis vegane Linie auf: Henrike Kaluza, Jan Hesse, Timo Winkelmann

Bauen Frischlis vegane Linie auf: Henrike Kaluza, Jan Hesse und Timo Winkelmann.

 

Ob als Mehl, in Flocken oder als Körner – das ist noch nicht endgültig entschieden. Fest steht aber auf jeden Fall, dass ab Sommer 2024 nicht nur Tanklastwagen voller frischer Milch die Hofeinfahrt passieren werden, sondern auch Lkw mit Hafer. „Wir arbeiten dann ähnlich den Brauern“, sagt Produktentwickler Jan Hesse mit kleinem Grinsen und stellt Vergleiche zwischen der Verflüssigung von Hafer und der Prozedur des Bierbrauens an. Im Vergleich zur Verarbeitung von Milch sei das ein vollkommen anderes Verfahren, erläutert er – weswegen dieser neue Produktionsschritt auch eine eigene Halle bekomme.

Zwei Jahre sind vergangen, seit erste vegane Produkte den Hof verlassen haben. Geschäftsführer Timo Winkelmann ringt gelegentlich noch mit den neuen Bezeichnungen. Nicht Milch, sondern Haferdrink. Nicht Sahne, sondern Kochcreme. Joghurt? Der wird zur „Joghurt-Alternative“ bis das Marketing einen Namen entwickelt hat, der verdeutlicht, dass es sich nicht um ein Milchprodukt handelt.

Was vor zwei Jahren als Versuch und mit zugekauften Basis-Produkten begann, entwickelt sich bei Frischli ganz nach Erwartung. Erwartungen an den boomenden Markt der Milch-Ersatzprodukte, der laut Winkelmann in Deutschland mittlerweile 13 Prozent der Milchmenge ausmache. „Diesen Marktanteil trauen wir uns auch zu“, sagt er. Auch wenn die Produktionsmenge am Gesamtgetöse des Unternehmens bislang noch nicht wahrnehmbar sei. Fakt sei aber, dass der Absatz von Trinkmilch hierzulande kontinuierlich zurückgehe – in etwa entsprechend der verkauften Menge der Haferdrinks.

Winkelmann sieht die neue Produktlinie als einen Baustein zur Sicherung der Zukunft des Unternehmens. Den es sich rund zehn Millionen Euro kosten lasse – so viel wird für Halle und Technik veranschlagt.

100 Millionen Einheiten Haferdrinks könnten pro Jahr produziert werden, sagt Hesse. Eine Einheit entspricht im Frischli-Jargon einem Liter. Ein theoretischer Wert bei vollständiger Auslastung der Anlage. Winkelmann zieht die jährlich produzierte Menge H-Milch des Werkes von 200 bis 250 Millionen Einheiten heran. Zehn Prozent dessen in Hafer-Drinks ist das, was er für den Anfang anpeilt.

Was in der neuen Halle produziert wird, ist allerdings nur das Basis-Produkt. „Wir verlegen Leitungen in die Gebäude der Milchproduktion“, erläutert Hesse. Dort kommen Knowhow und Technik aus der Milchproduktion zum Tragen - Synergieeffekte, die die Entscheidung „vegan“ erleichtert haben.

 

Eine kleine Auswahl der veganen Linie von Frischli

Vielfalt ist angesagt und es kommt immer mehr dazu: Eine kleine Auswahl der veganen Linie von Frischli.

 

Hesse ist fleißig dabei, immer neue Produkte zu kreieren und auch zu probieren. Was sich am Markt durchsetzen wird, muss sich zeigen. Interessenten an dem neuen Player im veganen Markt sind jedenfalls vorhanden. Der jüngste Coup ist ein Abschluss mit McDonalds. Die Fastfood-Kette bezieht neuerdings veganes Schoko-Eis von den Milchwerken.

Es gilt aber auch anderes zu bedenken. Die Sache mit dem Trinkwasser etwa. Zwei Liter Wasser je einer Einheit Haferdrink würden benötigt, sagt Henrike Kaluza, die als Projektleiterin für den technischen Part der neuen Anlage zuständig ist. Zum Vergleich: Je Milch-Einheit wird ein Liter Wasser verbraucht.

Wasser beziehen die Milchwerke momentan aus vier Brunnen auf dem Gelände. Das sei nicht vollkommen ausreichend, um den Bedarf zu decken, erläutert Kaluza, so dass auch die öffentliche Trinkwasserversorgung herangezogen werde. Wegen des wachsenden Bedarfs sondiere das Unternehmen, ob weitere Brunnen gebohrt werden können und setze ansonsten auf Trinkwasseraufbereitungsanlagen. Einige dieser Anlagen seien bereits vorhanden, speziell für die Hafer-Verflüssigung werde eine weitere gebaut. Erklärtes Ziel sei es, unabhängig von der öffentlichen Wasserversorgung zu werden.

Während auf der einen Seite Wasser benötigt wird, muss sich das Unternehmen andererseits Gedanken um die Entsorgung machen. Dabei geht es um die Reste aus der Haferverflüssigung, den sogenannten Treber. Auf 1800 Kilogramm Hafer, die pro Stunde durch die Anlage laufen könnten, kämen 700 Kilogramm Treber, führt Kaluza aus. Dieses Abfallprodukt soll in einer Biogasanlage landen. Langfristig schließt Frischli eine andere Verwertung aber nicht aus. Der Treber sei schließlich wertvoll und enthalte noch viele Nährstoffe, sagt Kaluza. Eine der Baustellen, an denen noch gearbeitet wird.

Baubeginn der Halle für die Haferverflüssigungsanlage

Baubeginn: Rechts neben der Zufahrt entsteht die Halle für die Haferverflüssigungsanlage.

 

Die für alle sichtbare Baustelle wird in den nächsten Monaten die Halle sein, die mit 32 Meter Länge, 13 Metern Breite und 14 Metern Höhe beileibe nicht das größte Gebäude auf dem Firmengelände sein wird. Weniger sichtbar werden die neuen Produkte sein. „Wir vermarkten die vegane Linie über unseren Foodservice-Bereich“, sagt Winkelmann. Gastronomie, Mensen, Caterer und Bäckereien gehören beispielsweise zu den Kunden. Auch wenn nicht „Frischli“ draufsteht, werden die neuen veganen Produkte also künftig in vieler Munde sein.

September 2023

Beate Ney-Janßen

Molkereiwirtschaft in Familienhand

Die Frischli-Milchwerke mit Hauptsitz in Rehburg-Loccum rangieren auf Platz 17 der größten Unternehmen der Milchwirtschaft in Deutschland. Von rund 1000 Mitarbeitern im Unternehmen arbeiten 650 in Rehburg, weitere in Werken in Bayern und Sachsen-Anhalt. Der Jahresumsatz belief sich 2022 auf rund 800 Millionen Euro. Mehr als 400 Milcherzeuger aus einem Umkreis von 100 Kilometern sorgen dafür, dass im Rehburger Werk die Zentrifugen nicht stillstehen.

Das Molkereiunternehmen hat eine Tradition, die 122 Jahre zurückreicht. 1901 gründete Familie Schäkel im schaumburgischen Frille eine Molkerei. Durch Hochzeiten und Freundschaften mit den Molkerei-Familien Holtorf und Winkelmann kam es 1933 zu einer Fusion mehrerer kleiner Betriebe, die Rehburg als Stammsitz wählten.

Die drei Familien – Schäkel, Holtorf und Winkelmann – leiteten die Milchwerke bis 2021 als sich Hans Holtorf und Lars Schäkel aus der Geschäftsführung zurückzogen und in den Aufsichtsrat wechselten. Geschäftsführer Timo Winkelmann blieb an der Spitze und bekam Unterstützung von Markus Kraus, der damit der erste Externe in der Leitung des Unternehmens ist.