Bunker als Munitionslager

Stadtgeschichte(n)

aus Rehburg-Loccum

Militärischer Stützpunkt Haarberg

Militärischer Stützpunkt Haarberg

Adels-Festung, Nazi-Standort und NATO-Station

Was dient der Sicherheit mehr, als ein weiter Blick rundum, der es ermöglicht, Feinde frühzeitig zu entdecken? Solchen Weitblick hat der Haarberg in Winzlar zu bieten, obwohl er mit seinen 86 Metern Höhe kaum die Bezeichnung „Berg“ verdient. Von den Münchhausens im Mittelalter über die Nationalsozialisten bis hin zur NATO haben viele die exponierte Lage dieses Hügels genutzt. Nachdem die Raketenabwehrstation des Verteidigungsbündnisses vor bald 30 Jahren stillgelegt wurde, ist der Haarberg nur noch eines: Ein verlassenes Gelände.

Bunker als Munitionslager

Bild 1: Als Munitionslager hat dieser Bunker den niederländischen NATO-Truppen vermutlich gedient. ade

Ein Maschendrahtzaun, dreifach mit Stacheldraht gesichert, umschließt das Areal. Auch sichert ein Vorhängeschloss das Tor und Spaziergänger müssen sich mit dem Weg rund um die Hügelkuppe begnügen. Ob sie dann wissen, dass in der Niederung schräg gegenüber dem Tor einmal die Kirche des Dorfes Mönnekehusen gestanden haben soll? Dass sie nach der nächsten Wegbiegung nicht nur das Steinhuder Meer in der Ferne glitzern sehen, sondern direkt vor einem Acker stehen, auf dem das zugehörige Dorf während der Hildesheimer Stiftsfehde 1519 geschliffen wurde?

Zerklüftete Wände blieben zurück

Den Vorfahren des Lügenbarons, den ersten des Geschlechts der Münchhausens, die hier einst siedelten, war das Glück nicht hold. Trotz Weitsicht gaben sie bald nach dem Überfall ihr Herrenhaus auf, das sich auf dem höchsten Punkt befunden haben soll, und bauten sich stattdessen im zwei Dörfer weiter gelegenen Brokeloh eine Wasserburg. An die ehemalige Siedlung erinnert am Haarberg nur noch ein malerischer alter Steinbruch aus dem die Münchhausens sich das Material für ihre Feste schlugen. Sandstein, der ihnen so wertvoll war, dass sie ihn über Knüppeldämme bis nach Brokeloh schafften, um daraus eine Burg zu bauen.

Des Steinbruchs zerklüftete Wände ragen noch heute inmitten eines Wäldchens direkt neben dem Maschendrahtzaun in den Himmel. Ein versteckter malerischer Ort.

Steinbruch neben dem Munitionsgelände

Verlassen liegt der Steinbruch, aus dem sich bereits die Münchhausens bedienten, neben dem ehemaligen Militärgelände. ade

 

Die strategisch günstige Lage des Haarbergs machten sich nach den Münchhausens die Nazis zunutze, als es im Zweiten Weltkrieg galt, Bomber der Alliierten frühzeitig zu entdecken – sei es, um die Bevölkerung zu warnen oder auch, um Flugzeuge gezielt vom Himmel zu holen.

 

Ortungsantenne von 24 Metern

Auf den Haarberg kam nun ein Funkmessgerät, ein Vorläufer des Radars. Auf freier Kuppe wurde die Technik ab September 1942 installiert, das Bauwerk hatte eine Höhe von rund zwölf Metern, die Ortungsantenne sage und schreibe 24 Meter Breite.

Mit zehn Umdrehungen pro Minute suchte die Antenne den Himmel nach verdächtigen Objekten ab. „Wenn sie begann sich zu drehen, wussten wir, dass ein Angriff bevorstand“, erinnert sich ein älterer Mann aus Wiedenbrügge. Bis an die holländische Nordseeküste soll das Funkmessgerät auf dem Haarberg den Luftraum ausspioniert haben.

Ein Funkmessgerät

Ein Funkmessgerät wie dieses mit einem 24 Meter langen Ausleger soll während des Zweiten Weltkrieges auf dem Haarberg gestanden haben. privat

Die Anlage auf der Kuppe stand nicht für sich allein, sondern arbeitete im Verbund mit vier kleineren Funkmessgeräten. Zwei von ihnen waren bei Winzlar platziert, eines bei Wiedenbrügge, ein viertes auf einem Berg bei Wölpinghausen. Von all diesen Geräten ist nichts mehr vorhanden. Lediglich in Winzlar steht auf einer Weide noch ein gemauertes Gebäude, das seinerzeit als Luftlagezentrum diente. Heute ziehen sich Kühe zum Schutz vor der Witterung in dieses Gebäude zurück.

 

Luftlagezentrum zur NS-Zeit

Bild 4:  

Ob die riesige Antennenanlage demontiert oder zum Kriegsende zerstört wurde – unbekannt. Ebenso unbekannt ist, ob bereits vorhandene Infrastruktur ein Kriterium für die Errichtung einer Luftabwehrstellung der NATO war. 1965, inmitten des Kalten Krieges, wurde die Entscheidung getroffen, den Haarberg erneut zu nutzen. Zwar wäre der Brunnenberg bei Münchehagen mit 161 Metern Höhe noch geeigneter gewesen. Aus Kostengründen wurde von diesem Plan aber abgesehen.

 

Rehburger waren gegen eine Kaserne

125 Mann der niederländischen Streitkräfte waren ab Juni 1967 für die Stellung auf dem Haarberg zuständig. Eine Kaserne errichteten sie in Stolzenau – nachdem der Rehburger Rat wenig Interesse signalisiert hatte, eine Garnison bei sich aufzunehmen.

Rund um die Uhr war diese Station besetzt, bis zu 48 Stunden hielten sich die NATO-Soldaten dort jeweils auf und das nahezu 20 Jahre lang. Ihre Mission: Luftsicherung. Zum Einsatz sind sie auf dem Haarberg nie gekommen.

Ein Luftbild der NATO-Station aus dem Jahr 1977

Ein Luftbild der NATO-Station aus dem Jahr 1977. privat

 

Dann folgte die Wiedervereinigung. Zum 1. Juli 1995 verließen die Niederländer ihre Stellungen, wurde der Haarberg erneut zum verwaisten Gelände.

Wer in den Jahren darauf über das Gelände wanderte, konnte auf breiten Straßen flanieren, und rechts und links die Bebauung erahnen von der sich nun nur noch meterhoch die Schuttberge aus Mauerwerk und Beton auftürmen. Das militärische Gerät nahmen die Niederländer mit, ihre Bauten zerstörten sie soweit möglich.

Tonnenförmige Röhre ist Bunker

Lediglich einige oberirdische Bunkeranlagen sind stehen geblieben. Nahe dem Eingangstor öffnet sich der Eingang zu einem dieser kleinen Schutzräume. An der Wand hängen die Überreste eines Telefons und auch die Bänke sind in der tonnenlförmigen Röhre noch vorhanden.

Ein Bunker, der noch auf dem Haarberg vorhanden ist.

An den Wänden die Überreste der Bänke: Einer der Bunker, die auf dem Haarberg noch vorhanden sind. ade

 

In all seiner Zerstörung und trotz der vielen militärischen Nutzungen ist es ein friedlicher Ort. Hasen machen sich in langen Sprüngen vom Acker, blühende Hundsrosen wuchern über die Straßen und aus den Rissen im Asphalt reckt sich gelb blühend der Mauerpfeffer.

Ziemlich mittig auf dem Plateau, geduckt unter einen Erdwall, öffnet sich ein Raum, der vermutlich als Munitionsdepot diente. Graffitis bedecken die Wände, vom Dach neigt sich Jahr für Jahr die Vegetation tiefer über den Eingang. Wer abseits der Wege einem der Wildpfade folgt, gelangt sogar an einen kleinen Teich, der aus einer Quelle gespeist wird.

Noch keine neue Nutzung in Sicht

In den Jahren nach dem Ende der NATO-Station gab es mehrere Anläufe, dieses wild-romantische Gelände mit seiner exponierten Lage und dem Blick auf die glitzernde Wasseroberfläche des Meeres neuen Nutzungen zuzuführen. Eines hatten alle Interessenten im Blick: Nicht Verteidigung sollte das Ansinnen sein, stattdessen Natur, Erholung, Tourismus. Bislang ist keiner dieser Pläne über ein euphorisches Anfangsstadium hinausgelangt. Dass das nicht für alle Zeiten so sein wird, diese Hoffnung bleibt.

Juli 2023

Beate Ney-Janßen

Falls Begehrlichkeiten geweckt wurden: Das Betreten von Grundstücken und Eindringen in Häuser erfüllt diverse Straftatbestände – es ist also verboten!


ein alter Stuhl 



Weg beim Haarberg



Graffiti im Bunker



alte Gänge im Bunker



Das Tor versperrt das Gelände.



Der Bunker wächst zu.



Eingang zum Bunker



Der Bunker wächst immer weiter zu.